Die Lust am Reaktionären

■ ARD-Reihe mit fünf Spielfilmen nach Stoffen von Elmore Leonard

Elmor Leonard lautet der Name des amerikanischen Western und Krimiautoren, der von seinen Fans nur andächtig geflüstert wird. Leonard, 1925 in New Orleans geboren und katholisch erzogen, diente im Zweiten Weltkrieg bei der Navy, studierte anschließend Anglistik und Philosophie an der Universität Detroit und verdingte sich später als Werbetexter. 1951 verkaufte er seine erste Story und kam irgendwann auf den Suff. Mit Hilfe der Anonymen Alkoholiker, einer sektenähnlichen Vereinigung, die sozial oder gesellschaftlich gescheiterte Verlierer vermittels eines knallharten Individualkodex‘ zu fanatisierten Abstinenzlern und achtbaren Bürgern rekrutiert, gelang ihm 1977 der Sprung aufs Trockene. 1979 heiratete er ein zweites Mal, und 1985 gelang ihm schließlich der Durchbruch, als ihn 'Newsweek‘ und zahlreiche regionale Magazine in Titelstories porträtierten.

Leonard begann mit dem Krimischreiben, als das Geschäft mit dem Western kollabierte. Ihm gilt das Verdienst, den Thriller aus dem strengen Korsett des Chandler- und Hamett -Musters „befreit“ zu haben. Seine Helden streifen nicht mehr wie einsame Wölfe durch finstere, mystisch verklärte Großstadthinterhöfe. Sie trinken auch nicht mehr so viel. Ihnen hängt die plakative Männlichkeitsnummer so demonstrativ zum Halse heraus, daß die mit Alibimacken versehenen Typen dadurch nur um so „männlicher“ erscheinen. Das Auto schiebt sich in den Vordergrund, umhüllt die Helden wie eine schützende Haut. Viele Geschichten sind in Detroit angesiedelt, der amerikanischen Autometropole.

Lebendig werden Leonards Romane durch den authentischen Jargon seiner Personen. Der Andeutungsreichtum spezieller Redewendungen geht in der Übersetzung allerdings verloren, als betrachtete man die Schattierungen eines Ölbildes im groben Raster einer Zeitungsreproduktion. Detailgenau, ja detailbesessen bringt Leonard die inneren Lebensumstände des American way of life ins Straucheln, um im selben Atemzug das Idealbild eines sauberen und moralischen Amerikas noch höher zu hängen. Seine Leitfiguren sind zumeist hochdekorierte Kriegsveteranen oder einfach Außenseiter, die durch die ihnen widerfahrenen Schicksalsschläge zu durchsetzungsfähigen, kampferprobten Spezialisten geworden sind. Der „edle Wilde“ bei Rousseau wird bei Leonard zum edlen Knastbruder. Sie suchen eine langweilige, bürgerliche Existenz oder haben diese bereits gefunden, wobei sie stets von einer Überzahl mieser Typen gezwungen werden, noch einmal zu zeigen, wo der Hammer des amerikanischen Gesetzes hängt. Ein reaktionärer Akzent seines Schreibens, der im groben Raster der Verfilmungen noch stärker ins Zentrum rückt. „Meine Stories sind in den Filmen gar nicht mehr wiederzuerkennen“, sagt Leonard. „Ich meine nicht die Plots, sondern die Art, eine Geschichte zu entwickeln, den ganzen Eindruck.“

In Sinola von 1972, mit dem die Reihe am 9.Juni startet, ist es Clint Eastwood, der den Anführer einer Gruppe Mexikaner, die von der Regierung um ihr Land betrogen wurde, derselben Justiz ausliefert, die den Landraub zuvor gesetzlich verfügt hatte. In Sie nannten ihn Stick ist es Burt Reynolds, der am Ende erkennen muß, daß es dieser gesellschaftliche Abschaum von Drogenmafia ist, der ihn daran hindert, einfach nur seine Tochter zu lieben, weswegen er sein Leben versaut, um diese einfach nur miesen Typen aufzumischen. In Whiskey Brutal (The Moonshine War von 1969) geht es um das Recht auf Privateigentum, das im Schweiße des Angesichts erworben wurde. Ein korrupter Prohibitionsbeamter (Patric Mc Goohan) verbündet sich mit einem finsteren Schurken (Richard Widmark), um dem markigen Individualisten Son Martin (Alan Alda) seinen nur noch für kurze Zeit illegalen Whiskey abzujagen. Son findet eine explosive Lösung, die jedoch vom fünften Gebot abweicht. Auch Charles Bronson übt sein Handwerk nur widerwillig, dafür aber um so virtuoser aus, um einen feigen Berufskiller zu erledigen, der seine Melonenernte bedroht; was er dabei verschweigt, wissen wir um so besser: Das Gesetz bin ich (Mr. Majestic, am 23.Juni).

Gute Unterhaltungsfilme haben eben zumeist etwas unfreiwillig Groteskes an. Der überaus spannend gemachte Psychothriller Der Rosenkranzmörder (The Rosary Murder von 1986, am 7.Juli), zu dem Leonard nicht die Romanvorlage schrieb und am Drehbuch nur als Co-Autor beteiligt war, fällt hier deutlich heraus. Donald Sutherland verkörpert einen ans Beichtgeheimnis gebundenen Pfarrer, der sich zum Anwalt Gottes macht und auf eigene Faust einen psychopathischen Killer jagt, der aus Gründen, die wir erfahren, einen Geistlichen nach dem anderen zu ihrem Vorgesetzten schickt.

Manfred Riepe