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Schamir pokert mit Rechtsregierung

Israels Ministerpräsident stellt kleine, rechts-religiöse Koalition vor / Bisher keine Verhandlungen mit der Arbeiterpartei / Parlament muß aber noch zustimmen / Kleine Koalition brächte Scharons Falken an die Macht  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der amtierende israelische Ministerpräsident und Likud -Führer Schamir hat am Freitag in einem Armeesender bekanntgegeben, daß ihm die Bildung einer Koalitionsregierung mit 62 der 120 Knesset-Abgeordneten gelungen ist. Diese „kleine“ Regierung ohne Beteiligung der Arbeiterpartei würde religiöse Falken und das radikale „Groß -Israel„-Lager an der Macht beteiligen, das bisher die parlamentarische Opposition des extrem rechten Spektrums bildete (Tehya, Moledet, Tzomet). Die Regierungsbildung wurde möglich, nachdem am Mittwoch ein Abgeordneter der Arbeiterpartei, Ephraim Gur, zum Likud übergelaufen war. Der Likud-Block und die genannten Parteien unterzeichneten laut Schamir eine Koalitionsvereinbarung.

Ob diese rechts-religiöse Regierung jedoch demnächst von der Knesset gebilligt wird, ist alles andere als sicher. In der Koalition selbst hält bislang ein böses Gezänk über Geschäftsbereiche und Ministerposten an. Doch Schamirs Mandat für die Regierungsbildung wäre heute Nacht abgelaufen. Hätte er keinen Erfolg gemeldet, könnte der Likud-Block die Führung der nächsten Regierungskoalition verlieren. Das Zentralkomitee des Likud soll am Sonntag zusammentreten, um Schamirs Kabinettsliste zu billigen.

Bis jetzt hat Schamir die Arbeiterpartei nicht formell zu Gesprächen über eine breitere Koalition eingeladen. Es wird jedoch erwartet, daß Präsident Herzog in letzter Minute ein Treffen zwischen Repräsentanten des Likud und der Arbeiterpartei vorschlagen wird, um die kleine, rechts -religiöse Regierung zu verhindern. Sie wäre instabil und würde Israel national wie international in Schwierigkeiten bringen. Eine Reihe von Konflikten wäre vorprogrammiert: mit den USA sowohl als mit der UdSSR, mit Westeuropa, der arabischen Welt und besonders mit den Palästinensern.

Diese Regierungsbildung wäre jedoch ein großer Erfolg für Ariel Scharon und andere Abenteurer des rechtsextremen Lagers. Scharon wäre dann Minister für Bauwesen und Vorsitzender der Einwanderungskommission. Die Frage der Migration sowjetischer Juden würde durch ihn noch mehr in den Mittelpunkt der israelischen Innen- und Außenpolitik gerückt. Schamir weiß selbst, daß eine Koalition mit den rechtsradikalen Parteien im Ausland höchst unpopulär ist. Doch bringt ihn die Koalitionsvereinbarung in eine gute Position für eventuelle Verhandlungen mit der Arbeiterpartei. Die ideale Lösung für ihn wäre eine ihm von den Verhandlungen „aufgezwungene“ große Koalition, in der er die entscheidende Rolle spielen würde.

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