piwik no script img

Staatsverträge I und II

■ Matthäus-Meier fordert generelle Umschuldung für alle DDR-Betriebe / Die Bundesregierung bereitet einen zweiten Staatsvertrag zur Eigentumsfrage vor / Pöhl: Bundesregierung „schäbig“

Bonn (ap/dpa/taz) - Die Gespräche zwischen SPD und Bunderegierung in Sachen „Nachbesserung am Staatsvertrag“ sind blockiert: Während die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Meier die Situation als „insgesamt unbefriedigend“ bezeichnete, findet die CDU/CSU die Forderungen der SPD „schlicht unverständlich“. Gottfried Timm, Kandidat für den Vorsitz der DDR-SPD, erklärte, dem Vertrag solle nun endlich zugestimmt werden, „denn wir haben unseren Verhandlungsspielraum ausgenutzt“.

Das Hauptproblem ist im Augenblick, in welchem Umfang und wie die Schulden der 8.000 DDR-Betriebe nach der Währungsumstellung abgefangen werden sollen. Während die SPD eine generelle Umschuldung auf den Staat verlangt und sich davon für einen größeren Teil eine bessere Startchance zur Weiterexistenz verspricht, beharrt das Bundeswirtschaftsministerium auf einer sogenannten „individuellen Lösung“: Demnach soll die Entschuldung für jeden Betrieb einzeln geprüft und entschieden werden.

Die Schulden der DDR-Betriebe werden nach der Währungsumstellung etwa 118 Milliarden D-Mark betragen. Von der Übernahme dieser Schulden durch den Staat verspricht sich die SPD, daß der Staatsvertrag „billiger“ werde, weil die Kreditwürdigkeit und damit die Überlebensfähigkeit einer größeren Zahl von DDR-Betrieben erhalten werde.

In Bonn ist gleichzeitig ein zweiter Staatsvertrag mit der DDR in Vorbereitung. Entgegen der zunächst bekanntgewordenen Absicht der Bundesregierung, bei enteigneten Grundstücken in der DDR aus der Zeit von 1945 bis 1949 unter sowjetischer Besatzung auf die Forderung Moskaus einzugehen und auf Rückgabe und Entschädigung zu verzichten, wird jetzt nach Andeutungen von Kanzleramtsminister Rudolf Seiters doch noch über dieses Thema verhandelt.

Zu den Prinzipien der Bundesregierung bei diesem Thema erklärte der Kanzleramtschef reichlich unkonkret: „Wir treten dafür ein, daß enteignetes Vermögen im Grundsatz zurückzugeben ist, soweit dies unter Berücksichtigung der Nachkriegsentwicklung und der sozialen sowie wirtschaftlichen Realitäten möglich ist, die in den letzten 40 Jahren in der DDR entstanden sind.“

Wie immer am klarsten äußerte sich der Chef der Bundesbank Karl Otto Pöhl: Er forderte eine umfassende Neuordnung der Staatsfinanzen, denn es sei „klar, daß die Vereinigung sehr viel kosten wird“. Auf einer Konferenz über den „Umbau Europas“ sagte Pöhl gestern in Frankfurt, die „Überlegungen, wie das alles finanziert werden soll“, stünden erst am Anfang. Als zwei von mehreren Einsparungsmöglichkeiten nannte er den Militärhaushalt und die Berlin-Subventionen von jährlich 20 Milliarden Mark. Als „schäbig“ bezeichnete Pöhl die Haltung, der Zusammenschluß von Bundesrepublik und DDR sollte ohne jegliche finanzielle Belastung erfolgen: Die Bundesbank werde die Defizite der DDR ebensowenig finanzieren wie die der öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen