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Strahlenbelastung im Wismutgebiet

Berlin (dpa/taz) - An die Folgen von Tschernobyl fühlten sich Wissenschaftler erinnert, die im Süden der DDR die Auswirkungen des Uranbergbaus durch die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft „Wismut-AG“ untersucht haben. Die Wismut ist das Zentrum des Uranbergbaus in der DDR. Bei Radioaktivitätsmessungen wurden auf der Schlammabsetzanlage Culmitzsch bei der Ortschaft Zwitzschen Werte bis zu 305.000 Becquerel je Quadratmeter gemessen. „Das sind Werte wie in Tschernobyl“, sagte einer der Forscher dem 'Sächsischen Tageblatt‘. Zum Vergleich: Die höchsten Meßwerte in Bayern lagen nach dem Tschernobyl-Fal lout im Frühsommer 1986 in ungünstigen Lagen vorrübergehend bei maximal 80.000 Becquerel.

Eine weitere, wahrscheinlich noch üblere Gefahrenquelle wurde ebenfalls untersucht: die Radongase in den Wohnhäusern. Der Radon-Spitzenwert in einem Haus betrug alarmierende 100.000 Becquerel pro Kukibmeter Luft.

Die Lebenserwartung der Wismut-Arbeitern wird von Medizinern mehr als fünf Jahre unter dem DDR-Durchschnitt eingeschätzt. „Die Krebsrate bei den Arbeitern ist mit Sicherheit erhöht“, sagte eine Ärztin der Betriebspoliklinik. Einwandfreie empirische Daten über die Häufung von Krebsfällen bei Wismut-Angehörigen stehen aber nicht zur Verfügung, sie liegen noch in den Tresoren des Betriebes.

Im Kirchenbuch einer Gemeinde mitten im Abbaugebiet ist indessen überdurchschnittlich häufig Lungenkrebs und Silikose als Todesursache bei Männern verzeichnet. Die meisten der Verstorbenen arbeiteten bei der Wismut. Die Halde der Aufbereitungsanlage für Uran in Crossen bei Zwickau soll demnächst abgetragen werden. Die Brocken schüttet die Wismut in ein Tagebauloch, etwa 20.000 Lastwagenladungen sind abzutransportieren. Jedoch besteht der Berg nur noch zur Hälfte. Die andere Hälfte wurde in den letzten Jahren in der Umgebung verbaut. Der gefährliche Stoff liegt auch unter der Asphaltdecke eines Schulhofes.

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