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Knallfrosch mit Zahnlücke

Kameruns Stürmer Omam Biyick köpfte das Siegtor im Eröffnungsspiel gegen Argentinien und rechtfertigte Maradonas Besorgnis vor präzisem Konterspiel  ■  Aus Mailand Matti Lieske

In erster Linie hochgeehrt fühlten sich die Spieler aus Kamerun, daß ausgerechnet sie das Eröffnungsspiel gegen Weltmeister Argentinien bestreiten durften. Zur Nationalhymne nahmen sie gleich mit fünfzehn Leuten Aufstellung, damit möglichst viele dieses erhabenen Augenblicks teilhaftig werden konnten, und der zahnlückenbehaftete Fran?oise Omam Biyick („Ich habe einen Zahnarzttermin im September“) war förmlich aus dem Häuschen, als ihm hinterbracht wurde, daß Diego Maradona ihn als „äußerst gefährlichen Angreifer“ bezeichnet hatte. „Wie“, freute sich der 25jährige, der seinen Zahn in der letzten Saison bei Laval in der zweiten französischen Liga eingebüßt hatte, „wie? Ist das wirklich wahr? Maradona kennt mich?“

Er kannte ihn, und er sollte ihn sogar noch viel besser kennenlernen. Kaum war die Partie nämlich angepfiffen, war alle Ehrfucht wie weggeblasen. Begünstigt durch die taktischen Tölpeleien des argentinischen Trainers Bilardo spielten die Kameruner denselben schönen, klaren, eleganten Fußball, der sie schon 1982 in Spanien so liebenswert gemacht hatte.

Ihr Konterspiel, meist über das überragende Maradona -Pendant Louis M'Fede (Nummer10), funktionierte mit der Präzision und Voraussicht eines Garri Kasparow, und wären sie mit ihren Torchancen nicht so sorglos umgegangen, hätten sie weit höher gewinnen können.

So blieb es Schiedsrichter Vautrot vorbehalten, die Entscheidung einzuleiten. „Ich will viele rote Karten sehen“, hatte Joao Havelange vor Beginn des Turniers gesagt, und Vautrot, im Europacup unangenehm aufgefallen, als er beim Spiel Real Madrid - AC Mailand dem Spanier Sanchis, der den frei aufs Tor zu laufenden van Basten mit Brachialgewalt umsäbelte, nicht einmal gelb zeigte, erwies sich als gefügiger Adept des FIFA-Präsidenten.

Nach etlichen berechtigten gelben Karten wies er den unbescholtenen Kana-Biyick, der Claudio Caniggia mehr unbeabsichtigt zu Fall gebracht hatte, vom Feld. „Eindeutig der falsche Augenblick“, kritisierte Maradona, „dieser Platzverweis nützte uns gar nichts.“

In der Tat. Das Meazza-Stadion erhob sich wie ein Mensch gegen die ohnehin schon mißgeliebten Argentinier, und in deren Verwirrung köpfte Omam Biyick, der zum Erstdivisionär Rennes wechseln wird, wenn ihn nicht noch irgendein Italiener wegkauft, mit gütiger Hilfe des Torhüters Pumpido das 1:0 (siehe „Gurke“). Auch der zweite Platzverweis für den Kameruner Massing, der voll in Ordnung ging, half den kopflosen Argentiniern nichts mehr, und als Omam Biyick plötzlich begann, wie ein Knallfrosch umherzuhüpfen, stand fest: Das Spiel war aus, die Sensation perfekt.

Unbändiger Jubel brandete über die Kameruner herein und die in Italien lebenden Afrikaner, die seit Monaten aufs Übelste drangsaliert, diskriminiert, verfolgt und ab und zu auch ermordet werden, müssen sich recht merkwürdig vorgekommen sein, als plötzlich mehr als 73.000 Italiener einer Gruppe von Schwarzen zujubelten. Ein Phänomen, das auch Maradona nicht entging.

Auf die Frage, ob es ihn nicht gestört habe, daß alle Kamerun angefeuert hätten, sagte der Argentinier mit bissiger Ironie: „Aber nein, das beweist doch, daß Italien nicht mehr rassistisch ist. Das gefällt mir.“

ARGENTINIEN: Pumpido, Simon, Ruggeri (46. Caniggia), Fabbri, Lorenzo, Basualdo, Batista, Burruchaga, Sensini (70. Calderon), Balbo, Maradona

KAMERUN: Nkono, Ndip, Massing, Tataw, Mbouh, Ebwelle, Kunde, Oman Biyik, Kana B., Makanaky (82. Miller), Mfede (67. Libiih)

TOR: 0:1 Oman Biyik (67.)

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