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KIND, MANN & GOTT

■ Eröffnungsrevue des Jüdischen Kulturfestivals

Natürlich ist das Thema - „Die Frau in der jüdischen Kulturwelt“ - ein viel zu großes, als daß man ihm in einem vierzehntägigen Veranstaltungszyklus, der vor allem Unterhaltungskriterien entsprechen soll, gerecht werden könnte. Trotzdem verspricht die bunte Mischung, die der Veranstalter des diesjährigen jüdischen Kulturfestivals, Dan Lahv (Jüdische Gemeinde), auf die Beine gestellt hat, einige spannende Ereignisse - etwa die Auftritte der jemenitisch -israelischen Rocksängerin Ofra Haza und der polnisch -israelischen Schauspielerin Gela Almagor oder aber die Aufführung Else des israelischen Nationaltheaters Habima über das Leben von Else Lasker-Schüler.

Der jüdischen Diaspora steht heute eine Form jüdischen Lebens gegenüber, die sich auch in dem Programm des Festivals niedergeschlagen hat. Trotz der eher zufällig anmutenden Ausschnitte aus der „jüdischen Kulturwelt“ erkannte der israelische Botschafter Navon, der neben Heinz Galinski und Anke Martiny zu den Eröffnungsrednern der Auftaktgala im Schillertheater gehörte, eine gewisse Homogenität der Veranstaltungen. Das Festival habe „einen Schwerpunkt“, den es in den zwanziger Jahren, der Blütezeit jüdischer Kultur in Deutschland, nicht hätte geben können. Welchen? Die Rolle der Frau? Nein. Der Schwerpunkt, den Navon ansprach, ist die Existenz des Staates Israel. Ein Großteil der Interpreten kommt aus Israel.

Ganz im israelischen Stil verlief in der Tat die Revue zum Auftakt des Festivals. Zu Big-Band-Klängen der Berlin -Symphonietta (Dirigent Rony Weiss aus Israel) sangen sieben junge Israelinnen die zum Teil uralten Lieder: vertonte Zitate aus der hebräischen Bibel, Schnulzen und Kinderweisen auf jiddisch, Romanzen auf Ladino (die Sprache der Juden aus Spanien) und israelische Volkslieder, die die Schönheit des Landes besingen. Alles, selbst arabische Melodien, waren in swingende Songs umgewandelt, mit der unverkennbar israelischen Mischung aus Melancholie und zündendem Rhythmus. Dazu professionelle Stimmen, professionelle Bewegungen, professionelle Gestaltung. Die sieben Sängerinnen bildeten eine wahre Augenweide und einen guten Querschnitt der weibliche Bevölkerung Israels; von orientalisch dunkel bis europäisch blaß, gertenschlank bis korpulent, von roten bis pechschwarzen Haaren, von glatten bis wildgekräuselten.

Im Zentrum der Lieder stand jedoch nicht so sehr die jüdische Frau als vielmehr ihr Kind, ihr Ehemann und ihr Gott. „Der Herr erlöst Jakob/ fürchte Dich nicht, mein Knecht Jakob“, sangen die sieben Schönen zu Beginn des Abends und setzten fort mit dem Schabbath-Lied Schalom Aleichem. Mit Mi Ha'Isch - Wer ist der Mann? und Ha'Ben Yaker Le - Mein teurer Sohn ging es weiter. Wenn die Frau vorkam, dann meist nur als singende oder besungene Mutter. Schließlich sei die jüdische Mutter, so Shoshana Shani, die durch den Abend führte, „der Felsen der Familie“. Immerhin - zum Programm des Abends gehörten auch ein paar originellere Lieder auf Ladino, zum Beispiel Mein Leben gebe ich für den Arag und Adio querida, no querro äa veda - Lebe wohl meine Liebe, mir stinkt das Leben!

Ansonsten gab's hauptsächlich Klischees, osteuropäische Kindererinnerungen Kenderjoren, Ein Brievele der Mame, Papirossen, und die jüdischen Evergreens Tum balalaika und Chere bim Chere bom sowie eine Geigeneinlage im Klezmer-Stil und Weisheiten wie: „Es gibt Schönere als Dich, aber keine ist so schön wie Du“. Mit einer etwas anderen Moderation, die nicht alle diese Lieder auf das Leben der jüdischen Frau bezieht, hätte man dasselbe Programm auf jedem anderen jüdischen Ball spielen können. Der Abend lebte von Wiedererkennungseffekten, das Publikum schien sich, den mitsummenden Stimmen zum Shtetele Belcz und den mitklatschenden Händen zu Bei mir bis Du schön nach zu urteilen, zu Hause zu fühlen.

Anstelle einer Zugabe trat unverhofft Ofra Haza auf die Bühne, die als „Botschafterin der jemenitischen Musik“ einen Vorgeschmack für ihr Konzert am Donnerstag in der Philharmonie gab. Alles in allem ein netter Abend. Wer nicht dabei gewesen ist, hat nichts verpaßt.

E.K.

Veranstaltungen in den kommenden Tagen: „Nonstop-Klevna -Marathon“ morgen im Kammermusiksaal; Gela Amalgor in „Avia Glomma“ ab 17. Juni und „Else“, Habimatheater, ab 19. Juni im Hebbeltheater; ein traditionelles jüdisches Essen aus fünf Kontinenten mit Rezepten und historischen Erklärungen in der Jüdischen Gemeinde.

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