: Nelson Mandela in Bonn
Gestern bei Rencontre mit Solidaritätsgruppen und Rede bei der SPD / Heute Gespräche mit Kohl, Genscher und Weizsäcker ■ Aus Bonn Andrea Seibel
Erst heute, am zweiten Tag seines offiziellen Besuchs in der Bundesrepublik, wird sich Nelson Mandela mit Kanzler Kohl, Außenminister Genscher und Präsident von Weizsäcker treffen. Zwar hatte sich der ANC-Vize auch schon am Montag mit Regierungsvertretern (unter anderem Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Jürgen Warnke) getroffen.
Doch Mandela, der auf dieser Mammut-Reise durch Westeuropa und die USA von seiner Frau Winnie begleitet wird, wollte deutliche Zeichen setzen, wem sich seine Organisation mehr verbunden fühlt. Die Ehre des ersten Gesprächs gebührte dem SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel, der sich am frühen Montag morgen mit dem ANC-Vize unterhalten hatte.
Die SPD, die auch am gestrigen Abend eine öffentliche Veranstaltung mit Nelson Mandela und Willy Brandt im Ollenhauer-Haus organisiert hatte, unterstrich damit nachdrücklich, daß Mandela auf gleichberechtigte Einladung von SPD und Bundesregierung gekommen sei.
Zur wohl rührendsten Begegnung kam es gestern nachmittag. In der sambischen Botschaft schüttelte Mandela Hände mit VertreterInnen der Anti-Apartheid-Bewegung. Schon am Sonntag abend bei seiner Ankunft auf dem Köln/Bonner Flughafen hatte es sich Mandela nicht nehmen lassen, VertreterInnen aus Solidaritätsgruppen zu begrüßen und sich bei ihnen herzlich für ihre langjährige Hilfe zu bedanken.
Durch die Aufhebung des Ausnahmerechts in Südafrika wurde vergangene Woche ein Hindernis mehr für Verhandlungen zwischen der Regierung de Klerk und dem ANC über die Zukunft des Landes aus dem Weg geräumt. Die Bundesregierung spielt und spielte bei den politischen Initiativen keinerlei Rolle, sondern unterstützte das Apartheid-Regime durch ihre ungebremste Investitionslust (zwei Milliarden DM 1988) und durch die militärische Lieferungen. Auch die 1986 beschlossenen EG-Sanktionen hat die Bundesrepublik weitgehend mißachtet.
Mandela wird den Bundekanzler dennoch bitten, beim EG -Gipfel am 25. Juni in Dublin noch keine Aufhebung der EG -Sanktionen zu beschließen, um nicht dieses externe Druckmittel bei Verhandlungen zu verlieren. Nach dem Besuch des südafrikanischen Staatspräsidenten de Klerk im Mai war gefordert worden, die Sanktionen zu überdenken. Die Aufhebung des EG-Beschlusses von 1986 ist an die Frage geknüpft, ob der friedliche Prozeß in Südafrika „irreversibel“ sei. Klären soll das die UNO, die am 1. Juli einen entsprechenden Bericht vorlegen will.
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