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Europäisches Bürgerforum für Alternative

■ Diesjähriges Sommerforum debattiert in der südfranzösischen Kooperative Longo Mai genossenschaftliche Selbstverwaltung / Der unsozialen Polizeifestung Europa wird der Kampf angesagt / Besuch aus der DDR erwünscht

Die Ost-West-Verbrüderung der Gartenzwerge unter dem Heiligenschein einer knallharten Währung vollzieht sich unaufhaltsam. Kleingärtner finden zueinander. Ehemals klassenfeindliche Politiker leisten sozialistische (oder so ähnliche) Hilfe. Die Wirtschaftsbosse stecken eh unter einer Decke.

Die das alles skeptisch verfolgen und weiterhin nach Alternativen suchen, tun sich da schon schwerer mit dem Zusammengehen. Große Volksbewegungen schrumpfen auf ihre harten Kerne zurück, nicht wenige müssen im allgemeinen Wirrwar überhaupt erst ihr Ding finden. Viele von denen, die eigentlich das Gleiche wollen, wissen nichts voneinander oder streiten sich um Kleinigkeiten.

Gleichgesinnte aus Ost und West schleunigst zusammenzubringen, die unabhängig von den „Großen“ aus Politik und Wirtschaft etwas - wie auch immer geartetes Eigenes auf die Beine stellen wollen, ist deshalb das Ziel eines europäischen Bürgerforums in diesem Sommer. Diskutiert werden sollen Möglichkeiten genossenschaftlicher Selbstverwaltung, der Kampf gegen eine unsoziale Polizeifestung Europa und der Aufbau eines Kontaktnetzes zwischen progressiven Leuten und Gruppen verschiedener Länder.

Initiator ist ein ziemlich munteres Häuflein Westeuropäer, die seit mittlerweile siebzehn Jahren in der Europäischen Kooperative Longo Mai zusammenleben. Sie haben nicht nur ein Zirkuszelt als Kongreßzentrum und Mittelmeersonne en masse zu bieten, sondern auch ein Projekt, das anzuschauen sich durchaus lohnt: Auf einem - nach EG-Wertskala - unrentablen Hügel in der südfranzösischen Provence betreiben sie umweltverträgliche Landwirtschaft und Kleinhandwerk. Aber nicht das Motto „Zurück zur Natur“ ist das Motiv dafür, sondern die Notwendigkeit, für ihr Engagement nach außen eine Grundlage zu haben.

Engagement beispielsweise für die aussterbende Spezies Bergbauer, für das arme Europa unterwandernde Ausländer und alle möglichen fortschrittlichen Initiativen. Ein eigener Regionalsender versorgt die Umgebung mit unkonventionellen Nachrichten, diverse Informationsblätter und Broschüren erscheinen regelmäßig.

Allein schon eine Reise nach Südfrankreich wert ist die Erfahrung, wie das (frohe Jugend-) Leben auf dem Berg organisiert ist. Das gemeinsame Ziel und gegenseitige Toleranz stehen vornean. Man kommt untereinander sowohl ohne Geld als auch ohne komplizierte Planung aus. Und Freude am Ganzen ist das wichtigste, so daß der Kampf in den seltensten Fällen zum Krampf ausartet.

An Besuch aus der DDR sind die Longo-Mai-Leute überaus interessiert, wobei solche, die aus purer Neugier nur mal vorbeischauen, fast ebenso willkommen sind wie diejenigen, die ernsthaft an einem gesamteuropäischen Netzwerk der Basisdemokratie oder alternativer Lebensweise interessiert sind.

Kontaktadresse: Brigitte Burmeister, Seydelstr. 32, Berlin 1080

Uwe Geißler

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