Chance vertan

■ Die Offenlegung des PDS-Vermögens: Zu spät und zu unglaubwürdig

Entweder ist der Schatzmeister der PDS ein schrecklicher Dilettant oder ein ausgekochter Lügner. Daß die neue Parteiführung der PDS über die von der SED im Ausland angehäuften Reichtümer nicht eine einzige Aktennotiz gefunden haben will, ist selbst bei Wohlwollen nur schwer zu glauben. Da hilft es auch nicht, wenn Parteivorstand und Parteipräsidium behaupten, der alte Apparat habe die SED und insbesondere das Finanzgebaren quasi geheimdienstlich behandelt - beinahe so, als ob sich die alte Partei in der Illegalität bewegt hätte. Immer wieder wollte die PDS dokumentieren, daß sie sich ihrer SED-Vergangenheit stellen und diese auch aufarbeiten wolle. Deshalb, so sagte es Parteichef Gregor Gysi, sei sie im Frühjahr auch nicht aufgelöst worden, um sich anschließend als nur vorgeblich unbelastete sozialistische Partei neu zu gründen. Einer der Beweggründe mag das wohl gewesen sein.

Der andere Grund, und das sagte Gysi ebenso deutlich, war der Versuch, das Parteivermögen zu „retten“. Damit verspielte die PDS aber die einen Moment lang bestehende Chance, neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Durch die kompromißlose Aufgabe des Vermögens, das die SED nicht als Arbeiterpartei, sondern als Staatspartei zusammengerafft hatte, wäre für die PDS ein überzeugender Neuanfang möglich gewesen. Gysi hat genau an diesem Punkt versagt.

Die „Offenlegung“ des Parteivermögens kommt zu spät. Die PDS reagiert nur auf die berechtigte Kritik von außen. Die „Offenlegung“ selbst läßt gerade die wichtigsten Fragen offen. In dieser Situation stellt sich Gregor Gysi auch noch hin und sagt: Die Notwendigkeit einer starken sozialistischen Partei in Gesamtdeutschland mache es - im Gegensatz zu seinen früher gegebenen Zusagen - heute nötig, das Auslandsvermögen der SED, sollte es denn gefunden werden, nicht mehr an den Staatshaushalt der DDR abzutreten. Dieses Geld, so formuliert es Gysi heute, müsse einer starken „europäischen Linken“ zugeführt werden. Ob diese damit glücklich würde, kann dahingestellt bleiben. Fest steht aber, daß der PDS-Chef damit in die alte Logik der SED -Apparatschicks zurückfällt.

Den Vogel schießt aber der Schatzmeister der PDS, Wolfgang Pohl, ab: Als einzigen Beleg einer Recherche nach dem Verbleib des SED-Vermögens im Ausland präsentierte er einen Brief an den Rechtsanwalt des früheren Devisenbeschaffers der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski. Dies wirft ein Licht darauf, was die PDS unter Glaubwürdigkeit der Eneuerung versteht. Den Vorwürfen, wieder einmal nur vertuschen zu wollen, liefert sie damit nur neue Nahrung. Auch für Gregor Gysi gilt der Satz: Wer zu spät kommt, den straft das Leben.

Wolfgang Gast