: Gegen germanisches Roll-back
■ Multikulturelles Forschungsprojekt zu Sexismus und Rassismus des Frauensenats / Spektrum von Schulbuch bis Anti-Dikri-Gesetz / Kritik am 500.000 Mark schweren Theorieprojekt
Ein „einzigartiges Projekt“, das politische Öffentlichkeitsarbeit für eine multikulturelle Gesellschaft leisten soll, stellte gestern Senatorin Klein im Hause ihrer Senatsverwaltung vor. Sechs Bildungsreferentinnen verschiedener Nationalität wollen die Grundlagen sexistischen und rassistischen Verhaltens aus nicht -deutscher Sicht erarbeiten. In Veranstaltungen und öffentlichen Diskussionen sollen die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Im Zuge der deutsch-deutschen Entwicklung, so eine der Referentinnen, Sevim Celebi-Gottschlich, sei die multikulturelle Arbeit „um zehn Jahre zurückgeworfen“ worden. Im Bereich des Staates und auch innerhalb der Linken herrsche noch immer „Bevormundung und subtiler Rassismus“.
Das im Hauptausschuß des Senats durchgesetzte und mit 500.000 DM bis 1991 finanzierte Projekt ist vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPW) heftig kritisiert worden. Von „alternativer Beutepolitik“ ist dort die Rede, bewährte Projekte, die Bildungs- und Sozialarbeit machen, fühlten sich zurückgesetzt. Nach Meinung des DPW sollte theoretische Bildungsarbeit Gegenstand von Frauenforschung in universitären Zusammenhängen sein.
Keinesfalls wolle man Theorie und Praxis gegeneinander ausspielen, so Christina Thürmer-Rohr vom Projekt, nach ihrer Auffassung müsse jedoch der Sozialarbeit ein politischer Ansatz zur Seite gestellt werden. Das Spektrum der geplanten Aktivitäten reiche deshalb von der Analyse schulischer Lehrbücher bis zur Erarbeitung eines Antidiskriminierungsgesetzes.
„Sehr enttäuscht“ sind die Projektmitarbeiterinnen vom „unfairen“ Vorwurf des DPWs. Frau Klein wies die Anschuldigungen mit Verweis auf das langwierige Bewerbungs und Auswahlverfahren zurück. Es gebe selbstverständlich immer eine „gewisse Konkurrenz verschiedener Projekte“, in diesem Fall habe der glaubwürdige Nachweis aktiver Beteiligung ausländischer Fachfrauen den Ausschlag gegeben.
Sigrid Bellack
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