: Mazedonien
■ betr.: "Mazedonier fordern ihre Rechte ein", taz vom 21.5.90
betr.: „Mazedonier fordern ihre Rechte ein“, taz vom 21.5.90
In dem oben genannten Bericht wird der Eindruck erweckt, als ob es eine eigenständige mazedonische (slawische) Nation gibt, die in den drei Nachbarländern Jugoslawien, Bulgarien und Griechenland beheimatet ist („Vardar-, Pirin beziehungsweise Ägäis-Mazedonier). Diese Darstellung entbehrt jeder historischen Grundlage und kann einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten:
Die autonome jugoslawische Teilrepublik Mazedonien wurde erst nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges (1946) im südlichsten Teil der föderativen Volksrepublik Jugoslawien gegründet, in der Region, die bis dahin „Südserbien“ beziehungsweise „Vardarska Banovina“ hieß. Man gab ihr den aus der griechischen Antike stammenden Namen Makedonien.
Dieser Teilrepublik versuchte man durch Manipulation und Verdrehung historischer Tatsachen und statistischer Daten politische und nationale Eigenständigkeit zu verleihen und sie dadurch aufzuwerten: Man erkannte das lokale slawische Sprachidiom - von den Bulgaren bis dahin als ihr eigenes beansprucht - als offizielle Sprache und bezeichnete sie als „makedonisch“, da sie weder „bulgarisch“ noch „serbisch“ heißen durfte. Man erfand eine eigenständige (slawische) Nation, die man ebenfalls „mazedonisch“ nannte.
Durch ein umfangreiches Propagandasystem versuchte man seitdem, den Bewohnern der Republik und dem Ausland zu suggerieren, daß es eine eigenständige „mazedonische“ (slawische) Nation gebe, deren Wurzeln im antiken Mazedonien zu finden seien (...ein Jahrtausend vor dem Auftauchen der Slawen in der Region!)
Durch die Schaffung einer slawischen Balkanföderation unter kommunistischer Führung, die „Mazedonien“ heißen sollte, wollte Tito damals der Sowjetunion zum Durchbruch zum Mittelmeer verhelfen und Bulgarien und Jugoslawien den Zugang zu einem Ägäishafen ermöglichen. Nach dem Bruch Titos mit der UdSSR wurden zwar diese ehrgeizigen Pläne fallengelassen, Belgrad mußte jedoch einen Teil dieser stalinistischen Konstruktion weiterhin mitschleppen: die Teilrepublik Makedonien.
Brigitte Kraft-Wiese, Hamburg
Die sogenannte „mazedonische Sprache“ war als autonome slawische Sprache bis zum Zweiten Weltkrieg unbekannt. Die Sprache, die von den slawischen Bewohnern Mazedoniens (in Jugoslawien, Bulgarien und einigen Grenzgebieten Nordgriechenlands) gesprochen wurde, galt generell als ein bulgarisches Idiom. In Griechisch-Mazedonien war der Einfluß der griechischen Sprache, durch eine Anzahl von Wörtern mit griechischen Wurzeln, eindeutig.
Nach Gründung der jugoslawischen Republik Mazedonien im Jahre 1946 wurde durch Anleihen aus dem Serbischen und Russischen sowie aus anderen slawischen Sprachen eine künstliche „philologische mazedonische Sprache“ gebildet, die als eine der drei offiziellen Sprachen des Landes anerkannt wurde. Diese Sprache ist von dem Sprachidiom, das von wenigen älteren Griechen in Grenzdörfern Griechisch -Mazedoniens gesprochen wird, weit entfernt.
Während meiner zahlreichen Reisen im griechischen Teil Mazedoniens habe ich selbst erleben können, daß die wenigen heute noch slawomakedonisch sprechenden Griechen zweisprachig sind und sich politisch und kulturell als Griechen fühlen und bekennen.
Ich habe übrigens in Griechenland nie eine Beschwerde über angebliche Einschränkung der Rechte einer slawomakedonischen Minderheit gehört. Die Beschwerden kommen aus dem jugoslawischen Ausland. Ist es nicht sonderbar, daß die (angebliche) Minderheit sich selbst nicht als unterdrückt betrachtet?
Will man eigentlich dadurch von den Spannungen zwischen Belgrad und den Republiken ablenken, die sich von Tag zu Tag auf alle Bereiche des politischen, sozialen und ökonomischen Lebens ausbreiten und den Zusammenhalt des Vielvölkerstaates bedrohen?
Wolfgang von Soden, Hamburg
Anmerkung d. Red.: Die beiden LeserbriefschreiberInnen von Soden und Kraft-Wiese gehen leider mit keinem Wort auf den Kernpunkt des Artikels, die Unterdrückungsmaßnahmen der griechischen Behörden gegen die slawischen Mazedonier ein. Zur ethisch-linguistischen Problematik verweise ich auf die Zeitschrift 'Pogrom‘ Nr. 153, S. 17 ff, Jahrgang 1990
C.S.
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