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Hosi Anna naß, Sie Armloch!

■ Dada-Lesung wonnevoll szenisch / Noch viermal im Packhaus-Theater

Schöner anfangen geht nicht: Ein schmächtig Blasser haut laut quakend und schnatternd auf eine Schreibmaschine ein, ngrllllp-t-tnnk-t, und schmeißt sein Gesicht in Grimassen; eine reifrockige Pompadoura in Purpur und Scharlach dreht sich trippelnd auf der Stelle und deklamiert englische Poems, während am Boden eine andere kauert mit himmelstürmendem Haarbusch; in Knopfaugen und Schnute ist selige Einfalt plakatiert, ihre Strumpfhose ist kanarigelb. Sie faltet Papierflieger aus den Schriftstücken, die, zerknüllt und mißachtet, den Bühnenboden bedecken. Und ein wenig abseits, versunken in Singsang und Glockengesums, bimbaumelt auf roter Kinderschaukel eine geistliche Exzellenz. O mein Herz! Es macht einen Jandler vor Freude, und wie schwittrig wird mir schon im Kopfe! Unweigerlich wird sich hier DADA einstellen, die rare Köstlichkeit.

Bald tut der Pfaffe seine Soutane ab, der Blasse kommt hinter dem Schreibtisch hervor, und sie werfen mit Eifer einander Gedichtzeilen zu, „vom vom zum zum“ und „vom zum zum vom“, und es geht richtig los. Vier junge Leute machen Dada-Szenen. Bea Jugert, die Scharlachin, Frank Meyer, der Blasse, Franziska Scheube und Claus Franke. Kennen sich vom Jugendclub des Bremer Theaters her, sind dort auf Rudolf Danker gestoßen, der jetzt die Regie übernahm. Auf dem Orchesterboden des Packhaus-Theaters stellten sie am Donnerstag

abend erstmals ihre Dada-Collage nach Texten von Kurt Schwitters und Ernst Jandl vor. Hosiananas!

Sie machen es wunderbar, weil sie ohne jedes saudumme Augenzwinkern auskommen. Die Masturbie des Hundelviehs, der Hasterose, der zu Hastern alle Eier frißt, die die Kinder gelegt haben („Aber daß einer allein soviel frißt!“) und der mit Sorgfalt dirigierte a-capella-Chor aus lauter Schmatzen und Gurgeln, all das kommt mit pompösem Ernst und geschwollener Gestik. Gerade so

amtlich muß man sie ausrufen, die Gedichte. Die doch, wie alles Dada, die allgemeinste und zugleich unversöhnlichste Renitenz gegenüber jeder Behauptung sind. Wir lachen Rotz und Wasser. Und alles ist noch kunter und bunter als möglich, und alle Einfälle und alle Kiekser hinter den Satz -Ecken sind so postiert, daß man drüberfällt und schon wieder lacht.

Hiem Hanfang war das Wort, huhn das Fordd war bei Flodd, jedenfalls bis Dada kam; und seine nunmehr rechtmäßige Vertretung

auf Bremer Boden macht uns vor, was sie hergibt, die Sprache, die Zähledrige, wenn man sie nur auskocht: Da haben wir sie doch, in allen Aggregatzuständen. Dicke Wortknödel schwimmen in verflüssigtem Lalleralei, und überhitzte Zischlaute verpuffen wie nichts. Da kriegen wir solche Lust, mit Reden von vorn hanzufangen. Ich darf hinzufügen: 25 Minuten zu spät, von rechts gesehen. Manfred Dworscha

Packhaus, Orchesterboden, am 17.,22.,23.,24.6, je 20.30 Uhr

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