: Die totale Verweigerung
■ Von einem, der auszog, den Verkehrskrieg zu verweigern
ndre Baumann gehört nicht zu den Menschen, die sich einen „Auto, Nein Danke„-Aufkleber in die Heckscheibe ihres Passats hängen. Der 20jährige Bremer sieht im Autoverkehr eine Kriegserklärung an Menschen und Umwelt - und diesen Krieg hat er jetzt verweigert. Radikal. Am 9.April des Jahres gab er dem Straßenverkehrsamt seinen vor knapp drei Jahren erworbenen Führerschein Klasse 3 wieder zurück. „Es ist für mich glaubwürdiger, nicht nur kein Auto mehr zu fahren, sondern auch meinen Führerschein zurückzugeben“, schrieb er zur Begründung.
Doch die totale Verkehrs-Kriegsdienstverweigerung blieb nicht ohne Folgen. Schon zwei Wochen nach Abgabe des Führerscheins bekam Andre Baumann wieder unangenehmen Kontakt mit einem Auto: einem Streifenwagen genaugenommen. Heraus sprangen zwei Polizisten, hielten den Fußgänger Baumann an und forderten ihn ultimativ zur Abgabe seines Führerscheins auf. Da er ihn ja nicht mehr hatte, preßten die Uniformierten ihn kurzerhand zur Verkehrs -Kriegsteilnahme, setzten ihn in ihr Polizeiauto und düsten los - auf die Wache.
Erst dort klärte sich die Lage. Baumann wurde wieder freigelassen, entschuldigt hat sich allerdings keiner bei dem Totalverweigerer des Autos. „Die Polizei hat einfach zwei Namen vertauscht“, erklärt sich der stellvertretende Leiter des zuständigen Straßenverkehrsamtes die Fahndung. Statt Andre Baumann hätten die Uniformierten einem Andreas Baumann den Führerschein abnehmen sollen.
Andre Baumanns Pech: Er ist der Sohn des polizeilich gut bekannten Bremer Antimilitaristen Ludwig Baumann. Der war aus Hitlers Armee desertiert und kämpft seit Jahren mit zivilem Ungehorsam und einem „Denkmal für den unbekannten Deserteur“ gegen die Mißachtung dieser effektiven Form der Kriegsverhinderung. Und das macht Polizisten skeptisch. Wenn die Bremer Beamten „Baumann“ hören, dann fällt ihnen immer nur der eine ein.
Totalverweigerung liegt halt in der Familie. Wenn Bremer Friedensbewegte demnächst über der blauen Taube auf ihrem Passat einen Aufkleber entdecken („Mit dem Auto kann man nicht für den Frieden sein“), dann ist wahrscheinlich gerade der Verkehrsteilnehmer Andre Baumann vorbeigeradelt.
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