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DDR-Kaffeekonsum verdoppelt sich

Auf dem 7.Internationalen Kaffee-Kongreß in West-Berlin berieten 760 Händler, Röster und Verkäufer über neuen Absatz im Osten und den Binnenmarkt im Westen / Beste Startchancen für Jacobs und Eduscho  ■  Aus West-Berlin Michael Glöge

Innerhalb kurzer Zeit wird sich der Kaffeeverbrauch in der DDR auf einem Niveau einpendeln, das knapp unterhalb des BRD -Durchschnitts liegt. Das erklärte Rolf Sauerbier, Organisator des 7. Internationalen Kaffee-Kongresses in West -Berlin, am Rande der dreitägigen Veranstaltung gegenüber der taz. Sauerbier, zugleich Sprecher des Jacobs-Konzerns, erwartet, daß der deutsche Kaffeemarkt durch den Anschluß der DDR um 20 Prozent wächst. In der BRD werden jährlich rund sieben Milliarden DM für das braune Pulver ausgegeben. Der Durchschnittsverbrauch liegt im Westen bei täglich vier Tassen pro Kopf, während es in der DDR zwei Tassen sind.

Die Vergabe der Marktanteile, so Sauerbier weiter, werde vor allem durch die Werbung bestimmt. Grundsätzlich seien die wichtigsten westdeutschen Kaffeesorten in der DDR bereits gut bekannt. Die bundesdeutschen Kaffeefirmen seien investitionswillig; zugleich bestätigte Sauerbier Pressemeldungen, nach denen nur drei der sieben Röstereien in der DDR die kommenden Monate überleben werden: Sie arbeiten mit Eduscho und Tchibo zusammen.

Für einige der rund 760 angereisten ExpertInnen haben sich Jacobs und Eduscho die besten Startchancen für das DDR -Geschäft verschafft. Eduscho beliefert bereits, ebenso wie in der Bundesrepublik, eine Vielzahl von Bäckereien, während die Jacobs-Ware vor allem über die West-Beteiligungen an den HO-Läden in die Regale kommt. Tchibo, Aldi, Melitta und Kaffee Hag / Onko, die anderen führenden Marken in der Bundesrepublik, werden es nach Ansicht der Experten schwer haben, diesen Vorsprung aufzuholen und Marktanteile zu erreichen, die denen in der Bundesrepublik entsprechen.

Der Hamburger Michael R. Neumann, Chef des weltgrößten Kaffeehandelskonzerns, sieht für die nächsten Jahre eine starke Konzentrationsbewegung auch im EG-Binnenmarkt. Von den derzeit 50 bedeutenden Röstereien werden in zehn Jahren nur noch 15 übriggeblieben sein, erwartet er. Europa werde bis zum Jahr 2000 das bedeutendste Zentrum des Weltkaffeemarktes sein. So befürchtete Jorge Cardenas Gutierrez vom Kolumbianischen Pflanzerverband denn auch, daß die Nachfragemacht der Industrieländer gegenüber den Produzentenländern noch mehr als bisher steigen wird.

Die DDR hatte eine ständig dicht umlagerte Abordnung geschickt; von den osteuropäischen Ländern, die bislang keine Mitglieder der Internationalen Kaffee-Organisation (ICO) sind, kam ansonsten nur eine Delegation aus Ungarn, die als Beobachter an dem Treffen der europäischen Händler, Verarbeiter und Verkäufer teilnahm. Anders als etwa in der Tschechoslowakei oder in Polen bedient dort nur eine einzige Rösterei die Nachfrage des ganzen Landes. Welcher der internationalen Kaffee-Konzerne die besten Chancen auf einen Einstieg hat, wird derzeit noch wie ein Staatsgeheimnis behandelt.

Die UdSSR hat inzwischen Interesse an der Aufnahme in die Organisation gezeigt. Bislang ist aber noch kein RGW-Land Mitglied der ICO, die bis zum Juli '89 eines der wenigen funktionierenden Weltrohstoff-Abkommen zwischen Erzeuger und Verbraucherländern vereinbart hatte. Darin waren für jedes Produzentenland garantierte Exportmengen vorgesehen, deren Preise innerhalb festgelegter Bandbreiten schwanken durften. Exportierte ein Land mehr, als es das Abkommen zugelassen hatte, war es gezwungen, diesen Kaffee in den Ländern zu verkaufen, die dem Abkommen nicht beigetreten waren - mit zeitweilig bis zu 50 Prozent Verlusten, oder, von seiten der Nicht-ICO-Länder, um die Hälfte billiger. Ausnahme: Die DDR-Regierung zahlte an die befreundeten Länder, etwa Kuba oder Angola, bis zu 30 Prozent über dem Weltmarktpreis. Dennoch: Die RGW-Länder, die das Abkommen bisher als kapitalistischen Ausbeutungsvertrag abgelehnt hatten, bedienten sich auf dem freien Weltmarkt mehr als zehn Jahre lang zu Billigpreisen; die Hälfte der Weltüberschüsse landete so in den Tassen und Bechern zwischen Wernigerode und Wladiwostok.

Geplatzt ist das Abkommen im letzten Jahr, weil die Produzentenländer sich nicht auf die von den Verbraucherländern geforderte Umverteilung der Exportquoten einigen konnten. Ohne die preisstützenden Mechanismen fielen die Preise prompt um 50 Prozent. Den Anbauländern, wegen der Schuldenkrise ohnehin am Rande des Zusammenbruchs, gingen seither dadurch Experterlöse von vier Milliarden Dollar verloren. Rund dreihundert internationalistische GegendemonstrantInnen wünschten der „internationalen Kaffee -Mafia“ denn auch blaue statt brauner Bohnen.

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