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Streit um „Nudelbusen“ in Passau

Boykottaufruf wegen sexistischer Werbung beschäftigt nach Passauer Urteil Oberlandesgericht München / Frauen hatten zum Boykott eines alternativen Buchladens aufgerufen / Buchhändler wehrte sich vor Gericht / Richter stellte sich jetzt hinter die Frauen  ■  Aus München Luitgard Koch

„Das ist ein Sieg für uns im Kampf gegen sexistische Werbung“, freut sich die 34jährige Ulrike Geißler im düsteren Flur des Münchner Oberlandesgericht. Wenige Minuten zuvor hatte der Richter Gerhard Henner gestern einen Vergleich zwischen dem Passauer Buchhändler Gerhard Sollner und den beklagten Frauen ausgehandelt. Inhalt: Der Buchhändler nimmt seine Klage vor dem Landgericht Passau zurück, wirbt nicht mehr mit dem umstrittenen Foto-Plakat und trägt die Kosten des Gerichtsverfahrens. Der Streitwert wurde auf 30.000 Mark festgesetzt. Dafür verpflichteten sich die Frauen, nicht mehr zum Boykott seiner Buchhandlung aufzurufen.

Eigentlich wollte Sollner nur witzig für seinen alternativen Buchladen in der Dreiflüssestadt werben. Doch das ging gründlich daneben. Seit einem halben Jahr beschäftigt diese Werbung nämlich jetzt die Gerichte und sorgt für Schlagzeilen in Sachen „Frauenfeindlichkeit“. Einige engagierte Frauen aus der autonomen Frauenbewegung fanden das Werbeplakat nämlich überhaupt nicht witzig. Sie riefen zum Boykott seines Ladens auf.

„Erst Spaghetti in den Ausschnitt, und dann kann Mann die Frau als sexistischen Gebrauchsgegenstand benützen: sprich vergewaltigen“, schrieb Ulrike Geißler damals empört an den Buchhändler. Auf dem Werbefoto wird nämlich ein junger Mann gezeigt, der seiner tiefdekolletierten Begleiterin eine Nudel aus dem Ausschnitt fischt oder auf den Busen legt. Die Meinungen, warum der geschniegelte Bursche an der Frau rumfingert, gehen hier auseinander.

Ins Rollen kam der Gerichtsstreit durch den 41jährigen Buchhändler selbst. Er wehrte sich gegen die Boykottaufrufe und verlangte von drei der Frauen eine Unterlassungserklärung. Die Frauen weigerten sich freilich, und so mußte sich zunächst das Landgericht Passau mit dem Fall auseinandersetzen. Der dortige Richter entschied nach einigem Hin und Her zugunsten des Buchhändlers und gab der einstweiligen Verfügung statt. Außerdem verdonnerte er die Frauen dazu, drei Viertel der Gerichtskosten zu bezahlen. Die Frauen gaben jedoch nicht auf und legten Widerspruch ein.

Richter Henner warnte die Frauen aber auch, das Urteil „jetzt nicht als uferlose Möglichkeit zu begreifen“, da es auf den Einzelfall ankäme. Fest steht jedoch, so der Richter, daß der Boykottaufruf rechtens war, da von seiten der Frauen damit keine wirtschaftlichen Interessen verbunden waren.

Die Frage der Rechtmäßigkeit hatte das Passauer Gericht nämlich offengelassen. Das Anliegen der Frauen ist jedoch „im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit höher einzustufen als das Bedürfnis des Klägers, mit Frauenbusen den Absatz seiner Bücher zu fördern“, argumentierte die Verteidigerin der beklagten Frauen, die Münchner Rechtsanwältin Roswitha Wolff. Besonders empört waren die Frauen auch darüber, daß sich der Buchhändler nach dem ersten Urteil augenzwinkernd beim Spaghettiessen vor einem überquellendem Bücherregal für eine Zeitung ablichten ließ. Aber auch mit diesem „Witz mit einem großen Schuß Ironie“, wie Sollner meinte, fiel er durch. Inzwischen wird ihm der Appetit auf Spathetti wahrscheinlich vergangen sein. Inzwischen ist er nämlich in der katholischen Bischofsstadt als „Frauenfeind“ verschrieen.

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