: „Ernste Unzufriedenheit in den Massen“
■ Bisher unveröffentlichtes KPdSU-Dokument zum 17. Juni 1953 / DDR-Historiker hält das als „streng geheim“ deklarierte Papier für eine „Sensation“
Berlin (adn) - Als „Berija-Dokument spukte er seit langem in den Köpfen der Historiker: der Beschluß der KPdSU-Spitze vom Mai 1953 über die Notwendigkeit einer radikalen Wende in der DDR. Die deutsche Übersetzung, die 37 Jahre lang in den Panzerschränken des SED-Zentralkomitees unter Verschluß lag, bekamen Historiker des Ostberliner „Institutes für Geschichte der Arbeiterbewegung“ jetzt erstmals zu Gesicht. Nach Auffassung von Dr. Josef Gabert, der seit 1978 zum „17. Juni“ forscht, kommt das Dokument einer „Sensation“ gleich.
Das als „streng geheim“ deklarierte Papier traf eine ausführliche Analyse der politischen Situation im Frühjahr 1953 und legte „Maßnahmen zur Gesundung der Lage“ fest. „Infolge der Durchführung einer fehlerhaften politischen Linie ist in der Deutschen Demokratischen Republik eine äußerst unbefriedigende politische und wirtschaftliche Lage entstanden. Unter den breiten Massen der Bevölkerung ... ist eine ernste Unzufriedenheit zu verzeichnen“, heißt es dort. Die SED-Regierung sei angehalten, die Beschlüsse der Zweiten Parteikonferenz 1952 zurückzunehmen und den „beschleunigten Aufbau des Sozialismus“ zu stoppen. Der verfehlte Aufbau der Schwerindustrie sollte zugunsten der Konsumgüterindustrie storniert werden.
Die Sowjets forderten ein flexibles Herangehen gegenüber Kirche, Gewerkschaften und Intelligenz.
Anfang Juni seien deshalb die Politbüromitglieder Otto Grotewohl und Walter Ulbricht nach Moskau gefahren, um sich im Kreml unter anderem mit Außenminister Molotow und Sicherheitschef Berija über den neuen Kurs zu verständigen.
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