: „Sein Verhalten ist praktisch mit einer feindlichen Tätigkeit gleichzustellen“
Auszüge aus dem „Bericht der Kommission des Präsidiums des Bundesvorstandes des FDGB zur Untersuchung des Verhaltens des Zentralvorstandes der IG Bau-Holz zum 17. Juni“ ■ D O K U M E N T A T I O N
Es muß festgestellt werden, daß es im Sekretariat des Zentralvorstandes der IG Bau-Holz keine richtige Einschätzung des Charakters des 17. Juni gegeben hat, auch nicht zu einer Zeit, als bereits die bekannte Erklärung der 14. Tagung des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands vorlag. Die Handlungsweise des Sekretariats des Zentralvorstandes der IG Bau-Holz läßt den Schluß zu, daß man dem 17. Juni die Einschätzung eines ökonomischen Streiks gab, der durch die schlechten Verhältnisse auf manchen Baustellen hervorgerufen wurde und bei dem es zu Tumulten durch von außen auf die Baustellen gedrungene Kräfte kam. (...) Aus dieser Grundeinschätzung des 17.Juni ergriff das Sekretariat des Zentralvorstandes keine Maßnahmen gegen Provokateure und Agenten, sondern stellte das bekannte und auf der 14. Tagung des Bundesvorstandes verurteilte Forderungsprogramm auf. (...) Das Sekretariat des Zentralvorstandes war offensichtlich mit den Hinweisen des Bundesvorstandes, das Schwergewicht auf den Kampf gegen die faschistische Untergrundorganisation und gegen die Provokateure und Agenten zu legen, nicht einverstanden.
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Das Verhalten des Sekretariats des Zentralvorstandes und des Vorsitzenden lief praktisch auf eine Unterstützung der feindlichen Kräfte hinaus. Es ist praktisch mit einer feindlichen Tätigkeit gleichzustellen. Die Kommission stellt fest, daß es im Sekretariat des Zentralvorstandes der IG Bau -Holz einen außerordentlich starken Sozialdemokratismus gibt. Der Vorsitzende, Franz Jahn, gab in der Unterredung offen zu, daß das Sekretariat in diesen Fragen jeglichen Klassenstandpunkt verlassen hatte, daß das Sekretariat auf dem besten Wege war, eine alte opportunistische Gewerkschaftspolitik durchzuführen...
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Das Forderungsprogramm richtete sich gegen den neuen Kurs von Partei und Regierung und den Schlußsatz des Forderungsprogramms mit der Aufforderung an die Bauarbeiter, sich enger um den Zentralvorstand zu scharen. Und man kann es aufgrund des allgemeinen Verhaltens des Sekretariats des Zentralvorstandes nicht anders als eine unverhüllte Drohung gegen den Bundesvorstand und gegen den Staat betrachten.
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Die Vernachlässigung der Wachsamkeit durch die Vorsitzenden und das Sekretariat zeigt sich auch darin, daß im Vorzimmer des Vorsitzenden bis vor kurzem zwei parteilose Stenotypistinnen saßen, die sämtliche Post in die Hände bekamen. Von Mitarbeitern des Zentralvorstandes wird erklärt, daß beide sehr stark westlich gekleidet sind, aber der Vorsitzende Kollege Franz Jahn änderte die Verhältnisse in seinem Vorzimmer erst, als durch die Parteiversammlung ein Druck ausgeübt wurde.
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Schlußfolgerungen: Die Untersuchung ergab, daß das Sekretariat in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht in der Lage ist, die Bauarbeiter in den Kampf gegen Provokateure und Agenten zu führen. Das Sekretariat hat eine Einstellung gezeigt, die mit einer feindlichen Tätigkeit gleichzusetzen ist. Der Vorsitzende Franz Jahn ist nicht in der Lage, eine konsequente und zielbewußte, revolutionäre Gewerkschaftsarbeit durchzuführen. (...) Das Sekretariat schloß sich zu einem feindlichen Block gegen den Bundesvorstand und damit auch gegen die Partei zusammen.
„Die Ursachen für die Fehler liegen in meiner Vergangenheit“
Auszüge aus der Anhörung des Franz Jahn durch das FDGB -Präsidium am 21.9.1953:
Auf Seite 4 (des Untersuchungsberichts, d. Red.) wird gesagt, daß die im Forderungsprogramm erhobenen Forderungen in keinem Fall von Bauarbeitern aufgestellt wurden. So ist das nicht ganz richtig. Die Situation ist so, daß alles das, was im Forderungsprogramm gestanden hat, daß das seit langer Zeit immer und immer wieder von den Bauarbeitern diskutiert worden ist.
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Es ist richtig, daß wir nicht sofort den Kampf gegen die Provokateure aufgenommen haben. Wir waren durch unser falsches Forderungsprogramm ... auf die Linie des Ökonomismus gekommen.
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Ich verstehe nicht, warum die Kollegen nicht eine Gesamtaussprache mit uns durchgeführt haben. Dann wären sicherlich einige der Dinge geklärt worden. Die Kollegen haben die Leute einzeln gehört, die Leute sind zurückgekommen mit einem Schweigegebot.
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Wir haben uns nicht bewußt gegen den Bund gerichtet, wenn auch unsere Fehler also schließlich dazu geführt haben, daß wir praktisch eine Politik geduldet haben, die sich letztlich gegen den Bund hätte auswirken können. Wir haben niemals die Absicht gehabt, uns gegen Partei, Regierung oder Bundesvorstand zu wenden. Wenn die Formulierung im Schlußsatz des Forderungsprogramms heißt, die Bauarbeiter sollen sich enger um die Organisation scharen, so meinten wir mit der Aufforderung, daß dann die Bauarbeiter zur Organisation zurückkehrten, sich an die Organisation halten, um dem Eindringen des Gegners gewisse Positionen zu nehmen.
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Ich bestreite nicht, daß ich ein führender Funktionär der sozialistischen Arbeiterjugend war, und bestreite nicht, daß ich mitgewirkt habe bei der Gründung der SPD... Ich weiß heute, daß der Weg der SAP falsch war.
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Die Ursache für die Fehler, die ich gemacht habe, liegen tatsächlich in meiner Vergangenheit. Sie liegen darin, daß ich im besonderen mit meiner gewerkschaftlichen Vergangenheit vor 1933 nicht genügend Schluß gemacht habe, daß ich dieselbe immer mit mir rumgetragen habe...
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