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Kaderschmiede St. Martini

■ Schweigen über den 17. Juni, Reden über dem Kampf der Gerechten

Es ist 17. Juni, und alles, was wir singen in St. Martini, macht uns Mut zum Kampf, „Herr, wir gehen Hand in Hand, Wandrer nach dem Vaterland“. Mein alter Herr Banknachbar links bringt es der Gemeinde, die die 200 Plätze bis zum letzten besetzt, in tremolierender Anstrengung zu Gehör und die Bank zum Wackeln.

Doch der 17. Juni ist hier kein Thema. Im Schauspielhaus Ost -Berlin sitzt gleichzeitig das ostdeutsche Pastoren -Parlament und darf das erste Mal anerkennen, daß der 17. Juni 1953 der erste einer Kette von Aufständen und etwas anderes gewesen ist als ein Machwerk von Handlangern des Imperialismus / Revanchismus / Militarismus / Neofaschismus mit Zentrum im westdeutschen Teilstaat. Aber so sehr Pastor Jens Motschmann der CDU verpflichtet ist, die den heutigen Tag, - kühn - als Sieg und Bestätigung begeht, hier fällt kein parteipolitisch getöntes Wort. Hier werden die Kader für einen anderen Kampf gestählt. Motschmann pflegt von seiner evangelikalen Gemeinde als einer „bekennenden“ zu sprechen. Bekennend sind solche, die kämpferisch für Gottes Wort pur eintreten, gegen das allgemeine Neuheidentum und jegliche „künstlichen Mittel“ von der Abtreibung bis zu lockernden „Pilotprojekten“ - der Abscheu tropft dem Pastor vom hohen P - einer Hamburger Gemeinde, die ihre konsumgeilen Schäfchen frühschoppierend mit Sekt, Bier, Würstchen und Schmalzbroten in Gottes Haus zu locken versuchen. Kaderschmied Motschmann stählt seine Gemeinde anhand der Apostelgeschichte von Lukas, 19. Kap., für ein anderes Schicksal in drei Stadien: Erstens, Erfolg durch die Verkündigung vom Gottes Wort, Zulauf aber auch die Erregung von Neid zweitens Widerstand gegen die „Dreckschleudern und Neidhammel“, und drittens Freude durch Leid in dem „Kampf, welcher uns verordnet ist.“ Freilich, dabei wird man kleiner. Wenn von 3000 Mitgliedern einer solchen bekennenden Gemeinde 2-300 zum Gottesdienst kommen und von denen 30 Aktive den verordneten Kampf kämpfen, dann ist ihr Hirte „gesegnet“.

Also auf, lieber tremolierender bankbewegender alter Sängerknapbe zur Linken! Der Sieg, am 17. Juni 1953 mit den blutig unterdrückten Protesten gegen mehr Arbeit für weniger Geld begonnen, im Sommer 1989 mit der Massenflucht in mehr Freiheit/mehr Geld den DDR-Staat implodieren ließ, er ist, den Pastoren zum Trotz, auch ein Sieg des Rechts auf Bier, Wein, Würstchen, Schmalzbrötchen und Sekt auch. In Motschmanns Hierarchie, ein Sieg der „Würstchen“. Der Kampf der Gerechten gegen das Gros der geschichtsmachenden Neidhammel - da sieht der Pastor weiter als seine siegreiche Partei - er steht noch aus.

Uta Stoll

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