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Spekulantenkrimi um Weidedamm-Grundstücke

■ Makler machen zweifelhafte Kaufangebote / Eigentümer und Pächter pochen auf dem Flächennutzungsplan / Kaisenausbewohner werden übertölpelt

Mitte April flatterte den Bokelmanns der letzte Brief der Immobilienfirma Rausch ins Haus. Zum Quadratmeterschleuderpreis von 150 Mark erbot sich der Makler, das Grundstück der Eheleute im idyllischen Weidedamm -Kleingartengebiet zu kaufen. Hintergrund der Offerte: Mitte der neunziger Jahre soll auf dem Boden der Kleingartensiedlung der dritte Bauabschnitt des Weidedammviertels realisiert werden. Bis dahin werden die Preise kräftig gestiegen sein. Geschätzter Grundstückspreis dann: 400 Mark pro Quadratmeter.

Mit dem fünf Hektar großen Grundstück der Gärtnerei Kähler fiel den Grundstücksspekulanten im letzten Jahr das Herzstück der Siedlung in die Hände. Seitdem bröckelt unter den Kleingärtnern die Front derer, die sich den Bau

plänen entgegenstellen wollen. Die Grundstücke in der Gartenstadt verteilen sich auf etwa 400 Einzeleigentümer und verschiedene Kleingartenvereine. Die rechtliche Situation im Weidedamm ist derzeit undurchsichtig. Formal gilt noch der Flächennutzungsplan von 1983, der nur einen Teil der Siedlung als „Fläche für Gemeinbedarf“ vorsieht, die restlichen Gärten sind als Grünflächen ausgewiesen und sollen es auch nach einer Bebauung bleiben.

Die Spekulanten beziehen derzeit jedoch alle Objekte des Kleingartengebietes in ihre Geschäfte ein. „Hier werden alte Leute unter Druck gesetzt“, weiß Manfred Müller, Eigentümer eines 1.000 Quadratmetergrundstückes im Kleingartengebiet. Die Käufer drohen mit Enteignung oder

schildern die Zukunft im Weidedamm in martialischen Szenarien aus Lärm und Dreck. „Was sich hier derzeit abspielt, ist eine bodenlose Schweinerei“, bringt es Klaus -Peter Zyweck auf den Punkt. Der Schriftführer des Kleingartenvereins Flora“ gehört

zu denen, die für den ersten Bauabschnitt des Weidedamm Viertels ihren Garten abgeben mußten. Bevor er seinen Garten jetzt wieder räumt, will er alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.

Mittlerweile haben sich drei

verschiedene Interessengruppen unter den Kleingärtnern gebildet: Die Sofortverkäufer, die Muß-Verkäufer (zu einem entsprechenden Preis), und die Will-Nicht-Verkäufer: das sind die sogenannten „Kaisenauswohner“, Menschen, die sich nach dem

Krieg hier angesiedelt haben und hier ihren Lebensabend verbringen wollen (genannt nach Nachkriegs-Bürgermeister Wilhelm Kaisen, der ihnen Auswohnrecht bis an ihr Lebensende versprochen hatte).

Die Gruppe der Kaisenauswohner wird es am härtesten treffen, zumal sie möglicherweise von falschen Freunden beraten werden. In der Kleingartensiedlung pfeifen die Spatzen vom Dach, daß die Alten von ihrer Interessengemeinschaft „über den Tisch gezogen werden “.

Das geplante Bebauungsgebiet umfaßt etwa 260.000 Quadratmeter und soll mit 1.000 bis 1.200 Wohneinheiten bepflanzt werden. „Schließlich braucht Bremen die Wohnungen“, zuckt Kleingärtner Arnold Neuhaus die Schultern. Ob einige Gärten auch neben der Siedlung weiterbestehen können, ist derzeit unklar. Anfang September wollen sich die KleingärtnerInnen besprechen: Bis dahin soll der neue Bebauungsplan erstellt sein. Für die meisten ist klar, daß sie wegmüssen. „Aber dann zu einem ordentlichen Preis“, protestiert eine Eigentümerin gegen das Gebaren der Makler.

ma

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