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'Lindeman'-Haus in Lesum noch besetzt

■ Bauamt, Denkmalpfleger und Beirat sahen keine Möglichkeit, Abriß zu verhindern / Claus Jäger (FDP): „Abrißkoalition“

„Das sind doch nette junge Leute!“ hatte eine ältere Lesumer Dame die rund 20 HausbesetzerIn-nen genannt, die seit Freitag nachmittag das Haus der ehemaligen Lindemann -Metzgerei gleich hinter der Lesumer Kirche besetzt halten.

Eine Villa, ein zweites Senats-Gästehaus, ist das Haus als Bauwerk sicher nicht. Aber hübsch ist es mit seinem Jugendstil-Giebel, der um die Jahrhundertwende dem alten Fachwerk-Bauernhaus vorgebaut wurde, und es liegt zentral im Ort hinter der Lesumer Kirche. „Das Haus ist sicher nicht einzigartig, steht aber im Ortskern und repräsentiert einen typischen Lesumer Stil“, wertet Carsten Meyer, Sprecher der Anti-Abriß-Initiative „Bremer Stadtbild“.

„Die Tür war offen, und innen lagen sämtliche Schlüssel“, erzählten die BesetzerInnen, die seit Freitag ohne Strom und Wasser Wohnen improvisieren, „und wir haben keine böse Absicht, außer, das Haus zu erhalten.“ Sie kommen aus dem Bremen-Norder Raum, aus Vegesack, Lüssum, Schwanewede, Osterholz. Viele von ihnen haben keinen Wohnraum, andere wollen das intakte Haus vor dem geplanten Abriß retten: „Die Grohner Düne oder das Marßeler Feld entspricht nicht unserer Vorstellung von einem menschenwürdigen Wohnen!“

Obwohl die neuen Oldenburger Besitzer zweimal Räumungsantrag gestellt hatten, war das Polizeirevier in Lesum am Freitag nicht eingeschritten. Die Stadtbremer Kollegen entschieden am Samstag ebenso: Übers Wochen

ende werde ohnehin nicht abgerissen, also könne am Montag das Gericht bemüht werden.

Am Samstag morgen rückten in drei Baustellen-Kleinbussen Bauarbeiter an mit zuvor ausgemessenen und nun fertig zugeschnittenen Holzplatten, um die Fenster

zu vernageln, zusammen mit dem Anwalt der Hausbesitzerin, der Oldenburger Immobilienfirma Behrens. Sie alle zogen aber zusammen mit der Polizei wieder ab.

Viele juristische Möglichkeiten gibt es nicht mehr, das alte

Haus zu retten, das über Generationen im Besitz der Schlachterfamilie Lindemann war. Die Oldenburger Immobilienfirma hat bereits die Abrißgenehmigung des Bauamtes, wollte sich auch auf den Vorschlag des Burglesumer Beirats, zumindest die Fassade in einen Neubau zu integrieren, nicht einlassen.

FDP-Fraktionschef und Rechtsanwalt Claus Jäger („Ich versuche seit zwei Jahren, das Haus zu retten, aber alle legalen Mittel waren erfolglos“) mochte im Gespräch mit den BesetzerInnen zwar die „illegale Aktion“ nicht gutheißen, hat aber, so Jäger zur taz, „eine große Sympathie für ihre Zielsetzung“.

Schuld an der Situation sei die „Abrißkoalition“ aus Bauamt und Beirat: „Der Lesumer Ortsamtsleiter hat mit der Beiratssprecherin in der Baudeputation einen Beschluß verhindert, der das Haus gerettet hätte, und sich später nach Beratung im Beirat auf eine Liste der schützenswerten Objekte im Stadtteil-Konzept bezogen. Da ist das Haus nicht drin.“ Beiratssprecherin Elli Aulfes (SPD): „Das ist jetzt eine Sache zwischen Eigentümer und Bauamt, wir haben ja keine Entscheidungs-Rechte.“ Die Debatte der Stadtbürgerschaft über Abrißstopp und Denkmalschutz wurde letzte Woche vertagt.

Susanne Paa

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