: RAF-Haftbefehle in der DDR umstritten
■ Berliner Stadtgericht lehnt Haftbefehle ab / Bundesanwaltschaft will gegen Honecker nach §129a ermitteln
Berlin (taz/ap) - Nachdem am Wochenende mit Sigrid Sternebeck ein weiteres mutmaßliches RAF-Mitglied in der DDR festgenommen wurde, ist es zu einem Tauziehen um die Haftbefehle gekommen. Die Staatsanwaltschaft des Berliner Stadtgerichts Mitte lehnte die beantragten Haftbefehle gegen die drei am Donnerstag festgenommenen RAF-Verdächtigen Werner Lotze, Ekkehard von Seckendorff und Monika Helbing ab. Grund: Es fehlten Beweismittel im Sinne der Strafprozeßordnung der DDR. Per Hubschrauber ließ daraufhin die Bundesanwaltschaft „alle erforderlichen Akten und Beweismittel“ nach Berlin fliegen, während die DDR -Generalstaatsanwaltschaft gegen die Entscheidung Beschwerde einlegte und die erneut Festnahme der Drei anordnete.
Generalbundesanwalt Alexander von Stahl prüft nun sogar, ob er ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen DDR -Staatschef Honecker, den früheren Stasiminister Mielke und den Ex-Spionagechef Markus Wolf wegen der „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a) einleiten kann.
Die Festnahme von noch aktiven RAF-Mitgliedern am Freitag in Leipzig erwies sich dagegen als Flopp. Statt der meistgesuchten mutmaßlichen RAF-Mitglieder Hans-Ludwig Meyer, Barbara Meyer und Susanne Callsen nahmen die Beamten des Innenministers Diestels nach falschen Hinweisen aus der Bevölkerung nur Leipziger BürgerInnen fest.
Die 40jährige Sigrid Sternebeck wurde am Freitag abend in der Nähe ihrer Wohnung in Schwedt, unmittelbar an der polnischen Grenze, festgenommen. Sie war ohne Begleitung und leistete keinen Widerstand. Gegen sie liegt ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vor. Darin wird sie beschuldigt, unter anderem an der Ermordung des amerikanischen Soldaten Edward Pimental und dem anschließendem Anschlag auf die US-Airbase des Frankfurter Flughafens im August 1985 beteiligt gewesen zu sein. In ihrer ersten Vernehmungen erklärte Sternebeck dagegen, sie habe seit ihrer Übersiedlung in die DDR im Jahre 1980 keinerlei Verbindungen zur RAF. Bundesanwalts-Sprecher Förster erklärte nun, dieser Widerspruch müsse bei den weiteren Ermittlungen aufgeklärt werden.
Die Rechtsanwälte Rolf und Heidelore Henrich, die von Seckendorff und Susanne Helbing vertreten, kritisierten am Wochenende, in der DDR ermittelten zur Zeit BKA-Beamte ohne einer Dienstaufsicht unterstellt zu sein: „Die amtliche Tätigkeit von BKA-Ermittlern in der DDR ruft schwerste rechtsstaatliche Bedenken hervor.“ Bei der Prüfung der Haftbefehle habe die Staatsanwaltschaft darüber hinaus keinerlei Beweismittel einbezogen und stattdessen kommentarlos auf den Haftbefehl der BRD verwiesen: „Die schwache Position der hiesigen Staatsanwaltschaft gegenüber dem Generalbundesanwalt mag politische Gründe haben, die in der Strafpolitik unter dem Honeckerregime wurzeln.“ Dies dürfe aber nicht dazu führen, daß die Beschuldigtenposition in der „noch existierenden DDR“ beeinträchtiogt werde. Siehe auch Seite 6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen