: Frankfurter Vielfalt feierte einig
Am 17. Juni organisierte Cohn-Bendit in der Bankenmetropole ein multikulturelles Fest / 15.000 Gäste boykottierten den CDU-Boykottaufruf / Fröhliches Fest nach einer Messerstecherei vorzeitig beendet ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) - Der Fraktionsvorsitzende der hessischen CDU im Wiesbadener Landtag, Franz Josef Jung (41), richtete noch am Sonnabend in der „Hessenschau“ einen flammenden Appell an die deutsche Bevölkerung: Der vom Multikulturdezernenten der Stadt Frankfurt, Daniel Cohn -Bendit (die Grünen) anberaumte „Tag der deutschen Vielfalt“ sei eine „Provokation und eine Beleidigung der Opfer des Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953“. Und deshalb, so Jung weiter, sollten die FrankfurterInnen diesem multikulturellen Fest fernbleiben.
Daß sich dann am Sonntag auf dem Platz an der Konstabler Wache gut 15.000 Menschen aller Nationalitäten versammelten, um gemeinsam den ersten „Tag der deutschen Vielfalt“ in der Geschichte der zweiten Republik zu würdigen, wertete Cohn -Bendit als „Schlag ins Gesicht der Christdemokraten“. Die CDU habe sich mit ihrer Propaganda gegen ein fröhliches Fest aller FrankfurterInnen, das kein Angriff auf den Tag der deutschen Einheit war, selbst isoliert.
Gerade weil der 17.Juni 1953 ein Arbeiteraufstand gewesen sei, sei es legitim, sich an diesem Gedenktag auch mit den Problemen und Ängsten der ausländischen ArbeitnehmerInnen auseinanderzusetzen. Cohn-Bendit: „Mit der Wiedervereinigung darf diese gewachsene mulitkulturelle Gesellschaft in dieser Republik nicht auseinanderdividiert werden.“
Das Fest selbst war denn auch kultureller und kulinarischer Spiegel dieser gewachsenen bunten Gesellschaft in der Bankenmetropole Frankfurt. Während Frank Wolff vom „Kurorchester“ einem Cello seine strapaziöse Interpretation des Deutschlandliedes abquälte, liefen die Kebap-Drehspieße auf Hochtouren. Mit dem berühmten Frankfurter Würstchen in der Hand bestaunte das gemischte Publikum hinduistische Stocktänze - und die Afrikaner trommelten sich die Seele aus dem Leib, der multikulturelle Kongreß tanzte bis zum Abwinken.
Für Organisator Cohn-Bendit war der „Tag der deutschen Vielfalt“ ein „voller Erfolg“. Das Fest sei der Rahmen für zahlreiche Gespräche zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Stadt gewesen - „und daß so viele Deutsche gekommen sind, die normalerweise kaum Kontakt zu AusländerInnen haben, war ein ermutigendes Zeichen“.
Als es gegen 19 Uhr hinter der Bühne zu einer Messerstecherei kam, in deren Verlauf ein „Batschkapp„ -Ordner leicht verletzt wurde, brachen die Organisatoren das Fest vorzeitig ab. Irene Khateeb, Abteilungsleiterin im Multikulturdezernat, schloß zwar politische Hintergründe „mit absoluter Sicherheit“ aus, doch habe man das Fest beendet, „weil wir eine Gefährdung weiterer Personen ausschließen wollten“. Khateeb: „Ähnliches hätte auf jedem Schützenfest passieren können.“
Daß Multikulturelles inzwischen vermarktungsfähig geworden ist, glauben nicht mehr nur die MitarbeiterInnen des gleichnamigen Frankfurter Dezernates von Daniel Cohn-Bendit. Die US-Plattenfirma CBS bringt in diesen Tagen eine Langspielplatte heraus, auf der Musiker aus der Mainmetropole eine „Multikulturelle Affaire Frankfurt“ in Szene setzen - „ein hübsches Geschenk bei Empfängen im Römer“ (Irene Khateeb).
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