Berliner Senat sagt „Ja“ zum Staatsvertrag

■ AL-Senatorinnen überstimmt / Land Berlin stimmt Freitag im Bundesrat dem Staatsvertrag zu / AL-Vertreterin darf in Bonn nicht sprechen

West-Berlin. Der Westberliner Senat hat in seiner gestrigen Sitzung einen förmlichen Beschluß über das Abstimmungsverhalten zum Staatsvertrag im Bundesrat am Freitag dieser Woche gefällt, bei dem die drei AL -Senatorinnen wieder einmal überstimmt wurden. Gemäß der Stimmungslage des größeren Koalitionspartners SPD wird das Land Berlin dem deutsch-deutschen Vertragswerk zustimmen, obwohl in der Koalition keine Einigkeit dazu herrscht. Überraschend kam die Entscheidung jedoch nicht. Vor allem die SPD-Fraktion hatte schon im Vorfeld der Debatte deutlich gemacht, daß eine Ablehnung seitens der Westberliner als Teil eines künftigen Landes Berlin nicht in Frage komme egal, wie sich die AL entscheiden sollte.

Der Regierende Bürgermeister vertrat gestern erneut den SPD -Standpunkt, daß es zur Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli keine Alternative gebe und jede Verzögerung gravierende negative Folgen für die Menschen in der DDR habe. Verantwortlich für die Schwierigkeiten in der DDR sei nicht der Staatsvertrag, so Momper, sondern 40 Jahre SED -Herrschaft. Die drei AL-Senatorinnen trugen noch einmal die Bedenken ihrer Partei gegen den Vertrag vor, die auch schon in der letzten Abgeordnetenhaussitzung zu einer Ablehnung seitens der AL geführt hatten: Die übereilte Vereinigung der beiden deutschen Staaten habe die Reform aus eigener Kraft erstickt und eine breite Debatte über Alternativen verhindert. Außerdem enthalte der Staatsvertrag zahlreiche Mängel, die zu Fehlentwicklungen führen könnten.

Trotz der Ablehnung seitens der AL wird das Land Berlin am Freitag - zum ersten Mal mit vollem Stimmrecht - dem Staatsvertrag zustimmen. In anderen Bundesländern mit Koalitionsregierungen gibt es konkrete Regelungen, die bei Dissens der Koalitionspartner eine Enthaltung vorsehen. Niedersachsen wird sich deshalb aus Rücksicht auf den kleineren Koalitionspartner der Stimme enthalten. In Berlin wurde das Abstimmungsverhalten im Bundesrat nicht gesondert geregelt, weil im März 1989 nicht abzusehen war, daß man so bald über das volle Stimmrecht verfügen werde. Jedes Land kann nur ein einheitliches Votum abgeben. Dennoch wäre selbst bei einer Ablehnung Berlins der Staatsvertrag kaum zu bremsen.

Der Regierende Bürgermeister wird am Freitag in Bonn zur Lage in Berlin sprechen; abgelehnt wurde im Senat das Ansinnen der AL, ihre Bundesratsvertreterin Anne Klein dort auch sprechen zu lassen. Momper will jetzt auch die Position der AL in Bonn vortragen. Ungeklärt ist derzeit, was die Entscheidung für koalitionsinterne Folgen haben wird. Die AL wertet die Überstimmung in der Senatssitzung als erneuten Bruch des in den Koalitionsvereinbarungen verabredeten Konsensprinzips und droht damit, bei der Übernahme des Staatsvertrages im Abgeordnetenhaus mit Nein zu stimmen. Dies wiederum betrachtet die SPD als Abkehr vom Konsensprinzip; der Fraktionsvorsitzende Dietmar Staffelt erklärte schon letzte Woche, daß ein solches Stimmverhalten den Koalitionsbruch nach sich ziehen könnte. Wie die AL abstimmt, wird erst Anfang nächster Woche entschieden.

kd