: HOBBYFOTOGRAFEN, AUFGEPASST!
■ 3-D-Didaktik im Museum für Verkehr und Technik
Ihr wollt doch gewiß einmal ganz große und im Familienkreis bewunderte 3-D-Fotografen werden oder vielleicht gar zum 3-D -Filmer aufsteigen? Dann wollt Ihr wohl auch wissen, wie so ein „Zumgreifennahapparat“ funktioniert, wie seine Herkunft und Geschichte war und wie seine Technik beschaffen ist?
Geht erst mal ins Museum für Verkehr und Technik. Dort ist seit einigen Tagen eine neue Sammlung kuhäugig aussehender, doppelobjektiver Foto- und Filmkameras, ganz alter Wiederbetrachtungsguckies und irrer View-Masters ausgestellt - vom uralten Spiegelstereoskop von Sir Charles Wheatstone, der 1838 all die dreidimensionalen Sachen erfunden hat, über hölzerne Luxus-Schiebekameras und Geheimfotoapparate, die um die Ecke gucken konnten, bis hin zum „Kaiserpanorama“, einer sogenannten Reisebilderpeepshow aus der Jahrhundertwende und aktuellen 3-D-Ramboheftchen.
Achtung! Unter Glas liegen ein paar, leider schon halb verblaßte, dreidimensionale Sexbildchen mit dicken Drallen, aber das geht Euch ja nix an. Ihr wollt ja nur wissen, wie das so technisch funktioniert, das Bildermachen von Stereos natürlich.
Also aufgepaßt: Besorgt Euch ein Mäuseskelett. Das findet Ihr in der Nähe eines Ameisenhaufens. Dort liegen die säuberlich abgenagten Dinger herum. Sie sind leicht transportierbar und ergeben beim Fotografieren große Plastizität. Wer Angst vor Mäuseskeletten hat, kann sich bei Mutti einen Lockenwickler leihen.
Ihr legt das Mäuseskelett auf einen Tisch, am besten etwas diagonal zu Euch, damit man schräg hindurchgucken kann. Dann holt Ihr Eure Spiegelreflexkamera von „Foto-Quelle“ oder „Nikon“, und wer noch keine hat, kriegt billig eine „Exakta“ von ehemaligen DDR-Übersiedlern, und montiert sie auf eine Schiene, damit man sie hin- und herbewegen kann. Achtet bitte darauf, daß der Abstand zum Mäuseskelett dabei gleich bleibt. Dann den Film einlegen.
Ach ja. Der Abstand von einem Festpunkt auf der Schiene zum anderen sollte vielleicht so rund circa ungefähr 6,5 Zentimeter sein. Das entspricht unserem Augenabstand. Denn alles, was jetzt passiert, gleicht unserem eigenen Sehvorgang. Unsere gesunden Augen machen nix anderes als wie der Fotoapparat. Jedes Auge nimmt beim Gucken ein zweidimensionales Bild auf, das auf der Netzhaut gespeichert wird. Die gespeicherten Informationen werden zum Gehirn gegeben und dort zu einem räumlichen Bild zusammengemischt. Wir sehen räumlich wegen der unterschiedlichen Bildinformation. Bei Einäugigen, Schielern und Blinden funktioniert das selbstverständlich nicht.
So. Jetzt knipst Ihr das Mäuseskelett vom ersten Standpunkt aus. Klick! Dann die Kamera verschieben und vom zweiten Punkt aus knipsen. Klack! Anmerkung: Sich bewegende Sachen könnt Ihr so nicht aufnehmen. Dazu benötigt Ihr zwei Kameras. Ihr braucht diese nur am Boden zusammenzuschrauben und mit einem Drahtauslöser gleichzeitig den Auslöser zu bedienen. Anmerkung Ende. Dann bringt Ihr die Negative zu „Foto-Fix“. Das dauert so ein, zwei Tage, obwohl die immer das Gegenteil behaupten.
In der Zwischenzeit baut Ihr Euch ein sogenanntes Stereoskop. So heißt das 3-D-Betrachtungsgerät. Auch das geht ganz einfach. Ihr benötigt zwei Prismen, um das Sehfeld aufzuweiten, oder, wenn Ihr Dias gemacht habt, zwei „Guckies“. Baut die Linsen jetzt im Augenabstand nebeneinander, damit jedes Auge später nur ein Mäuseskelettbild sehen kann. Bei unterschiedlichen Linsenabständen gibt es wüste Verzerrungen, die Ihr höchstens bei Leuten ausprobieren sollt, die Ihr nicht leiden könnt.
Dann geht Ihr die Positive bei „Foto-Fix“ abholen. Ihr legt sie nebeneinander, holt das Stereoskop und seht, ich gehe jede Wette ein, das Mäuseskelett dreidimensional, ganz wie natürlich und noch viel schöner, weil alles so nah und tief wirkt. Ihr meint darin herumkraxeln, an den Knochen entlangrutschen und aus den Augenhöhlen herausspringen zu können. Ja, so einfach ist das. Besorgt Euch das Wissen im Museum für Verkehr und Technik!
rola
Die Ausstellung „Stereoskopie“ ist im Beamtenhaus des Museums für Verkehr und Technik, Trebbiner Straße, Kreuzberg, zu sehen.
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