: KPdSU-Spaltung angepeilt
Die „Demokratische Plattform innerhalb der KPdSU“ disktutierte ihre politischen Perspektiven / Sie wird auf dem Parteitag nur von wenigen Delegierten vertreten ■ Aus Moskau Barbara Kerneck
Die Generalproben für den 28. Parteitag der KPdSU Anfang Juli haben begonnen. Während seit Dienstag der Kongreß der Kommunisten der Russischen Föderativen Sowjetrepublik tagt, ist schon am Wochenende die innerparteiliche Opposition, die „Demokratische Plattform innerhalb der KPdSU“, ein Zusammenschluß von Zentristen und linken Radikalen, aktiv geworden. Auf dieser zweiten Allunionskonferenz im Monumentalkino „Oktjabr“ erörterten 877 Delegierte aus zwölf Unionsrepubliken das gemeinsame Programm der Opposition: Die Umwandlung der KPdSU in eine Partei parlamentarischen Typs, Wahlen auf allen Parteiebenen, die Abschaffung der Parteiorganisationen in Betrieben, Hochschulen und der Armee und die Umgestaltung der KPdSU in eine Föderation souveräner Kommunistischer Parteien der verschiedenen Sowjetrepubliken.
Daß die Anhänger der „Demokratischen Plattform“ bei Abstimmungen auf dem Parteitag kaum eine Chance haben werden ist sicher. Sie werden dort höchstens einhundertundfünfzig von fünftausend Deputierten stellen, von denen viele nach bewährter Manier „von oben“ gewählt wurden. Dagegen haben bei Umfragen 60 Prozent aller Parteimitglieder in Moskau und Leningrad ihre Symphatie für die „Demokratische Plattform“ erklärt.
Den Konsensus der Gruppe faßte der RSFSR-Volksdeputierte, der 40 jährige Wissenschaftler Wladimir Lyssenko, zusammen: Die Demokratische Plattform sollte ihren logischen Weg zu Ende gehen. „Auch wenn sie dort nicht von der Mehrheit der Delegierten unterstützt wird, sollte sie ihren Austritt aus der KPdSU erklären und die Gründung einer neuen politischen Partei in Angriff nehmen.“ Ihm schloß sich auch der Gründer der Bewegung, Igor Tschubais an. „Man kann die KPdSU ebensowenig verbessern wie eine Gaskammer“. Tschubais warnte aber die linke Opposition gleichzeitig davor, sich in der Gründung von Parteien nach westlichem Muster zu verzetteln, wie sie in den letzten Wochen in Moskau aus dem Boden schossen: „Unsere Gesellschaft existiert außerhalb von Kapitalismus, Sozialismus und Feudalismus, ja überhaupt aller Ismen und auch außerhalb des gemeinsamen europäischen Hauses.“ Angesichts der allesbeherrschenden Rolle der KPdSU andere parlamentarische Parteien gründen zu wollen, sei, als hoffe man von einer Bananenstaude, daß sie in russischer Erde Früchte trägt. Doch auch er ist für die Spaltung. Danach könne erst eine wirkliche Opposition entstehen.
Einen besonderen Aspekt der Spaltung warf ein Delegierter aus dem sibirischen Tomsk auf. Schon lange fordere die Plattform die Abgabe der Hälfte aller Parteidruckereien an den Staat in Gestalt der örtlichen Sowjets, auch sei man nicht gewillt die Partei „ohne Mitgift zu verlassen.“ Die KPdSU habe 70 Jahre lang auf verbrecherische Weise das Volk ausgeplündert und wasche jetzt noch schnell ihr „schmutziges Kapital in Kooperativen und Joint Ventures“ rein.
Für einen Clou am Rande des zweitägigen Kongresses sorgte der gestandene KGB-General Oleg Kalugin, zuletzt stellvertretender Chef der Gegenspionage in Leningrad und wegen einiger kritischer Denkschriften und eines Briefes an Gorbatschow seit drei Jahren von seiner Organisation aufs Abstellgleis geschoben.
Das „neue Gesicht des KGB sei nur Kosmetik“, warnte Kalugin vor dem Forum, in Wirklichkeit hätten sich Methoden und Denken dieser Organisation seit Stalin, ja seit den Zeiten der zaristischen Ochrana im wesentlichen nicht verändert, auch nichts am Mißbrauch psychiatrischer Anstalten durch den KGB. Um in diesem Land einen Kern der Demokratie zu säen, genüge es nicht, eine neue Partei zu gründen oder auch demokratische Institutionen einzuführen, weil nämlich die Partei und die Gesellschaft vom Gespenst der Geheimpolizei beherrscht werden. „Solange wir uns von diesem Gespenst, das unter uns umgeht, nicht befreien, kann unsere Gesellschaft niemals frei und demokratisch sein“.
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