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Ost-Berlin blättert in RAF-Personalakten

■ Arbeitspapiere der Verhafteten werden überprüft / Henning Beer hatte häufig Freischichten / Wußte Bonn Bescheid?

Berlin (taz) - Das Zentrale Kriminalamt der DDR (ZKA) hat mit der systematischen Überprüfung der Betriebspersonalakten der in der DDR festgenommenen ehemaligen RAF-Mitglieder begonnen. Gleichzeitig wurde am Donnerstag eine Nachrichtensperre verhängt, die alle beteiligten Dienststellen bis auf weiteres zum Schweigen verdonnert. Ein Sprecher des Ostberliner Innenministeriums erklärte gegenüber der taz, man werde wieder an die Öffentlichkeit gehen, wenn „zweifelsfreie Resultate“ der Recherchen vorlägen.

Die DDR-Ermittler wurden offenbar erst von einem ZDF -Bericht aufgeschreckt, wonach der inhaftierte Henning Beer in den vergangenen Jahren dreimal Kurzurlaub machte, als im Westen bewaffnete Anschläge durchgeführt wurden. Die Wahrscheinlichkeit eines fatalen Zusammentreffens ist allerdings größer als bisher angenommen. Beer arbeitete im VEB Geothermie in Neubrandenburg unter dem Namen Dieter Lenz im Dreischichtbetrieb. An den Wochenenden wurden in seiner Abteilung „regelmäßig unregelmäßig“ zusätzliche 12-Stunden -Schichten eingeschoben, die dann ebenso unregelmäßig abgefeiert werden mußten. Drei freie Tage in Folge waren nach Aussagen von Beschäftigten gegenüber der taz „keine Seltenheit“.

Am Donnerstag vormittag besuchten Kripobeamte nach taz -Informationen auch die Personalabteilung des Dienstleistungskombinats in Schwedt an der Oder. Dort war Sigrid Sternebeck beschäftigt, als am 8. August 1985 ein RAF -Kommando in Frankfurt zunächst den GI Edward Pimental erschoß und anschließend eine Autobombe auf dem Gelände der US-Air-base zündete. Über das Ergebnis der Überprüfung schwiegen sich die Beamten unter Hinweis auf eine „zentrale Anweisung“ aus. Sollte Frau Sternebeck nachweisen können, daß sie zu dieser Zeit in Schwedt gearbeitet hat, müßte sie voraussichtlich umgehend freigelassen werden. Neben dem Frankfurter Anschlag wird ihr lediglich die - verjährte „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ zur Last gelegt, ähnlich wie im Fall von Seckendorff. Unterdessen hat der ehemalige stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Günter Neiber, in einem Fernsehinterview ausgeschlossen, daß ehemalige RAF-Mitglieder nach ihrer Einbürgerung weiter Anschläge verübten. Die Aufnahme der jetzt Verhafteten habe Erich Mielke persönlich mit der Bedingung verknüpft, daß sie auf weitere Anschläge verzichten. Die spanische Zeitung 'El Pais‘ berichtet derweil unter Berufung auf Geheimdienstkreise in Ost-Berlin, Bonn habe vom DDR-Aufenthalt der ausgestiegenen RAF -Mitglieder nicht nur gewußt, sondern die Einbürgerung auch gebilligt. Die Überwachung durch das Regime sei als „beste Garantie ihrer Demobilisierung“ angesehen worden.

Gerd Rosenkranz

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