: Grüne schließen Giftmüllkompromiß
■ Baden-württembergische Grüne beschließen nach langem innerparteilichem Streit ein Junktim: die Zustimmung zu Müllverbrennungsanlagen soll von der drastischen Müllreduktion abhängen
Leonberg (taz) - Mit einem Kompromißpapier zur Abfallpolitik haben die baden-württembergischen Grünen den seit Jahren schwelenden Streit um die Behandlung von Giftmüll vorerst wieder begraben.
Der Leitantrag, der von den Delegierten des Landesausschusses nach kontroverser Debatte mit großer Mehrheit verabschiedet wurde, sieht ein Junktim vor: erst nach einer Umsetzung eines radikalen Vermeidungskonzepts für Sondermüll in Baden-Württemberg wollen die Grünen mit sich über die Beseitigung des verbleibenden Restes reden lassen.
Die bislang praktizierten Entsorgungsverfahren werden kategorisch abgeleht; Umweltminister Vetters Pläne zur Giftmüllverbrennung in Baden-Württemberg verurteilten die Grünen als „Pyromanenpolitik“. Der Gegner sitze auf der Regierungsbank und in den Chefetagen der produzierenden Industrie, erklärte Landesvorstandsmitglied Rudi Hoogvliet.
In der Frage, ob der Giftmüll mit oder ohne Verbrennungsstätte zu bekämpfen sei, scheiden sich bei den Südwest-Grünen Geister und Strömungen seit langer Zeit. Auf dem Freudenstädter Parteitag vor zwei Jahren wurde beschlossen, Sondermüll nicht ins Feuer zu schicken. Neuer Streit brach aus, als der grüne Landtagsabgeordnete Kretschmann - umweltpolitischer Sprecher der Fraktion und früherer ministerialer Zuarbeiter Joschka Fischers - in das von ihm entworfene Modell einer Abfallfabrik auch einen Hochtemperaturofen integriert hatte - für anderweitig nicht zu entsorgende Giftmüllreste. Dieses Konzept hatte bei dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth durchaus Sympathien erweckt und Spekulationen über eine mögliche rot-schwarze Zusammenarbeit bestärkt.
Ein Teil der grünen Fraktion sowie der Großteil des Landesverbands lehnte Kretschmanns Verbrennungsofen rundweg ab. Die Bürgerinitiativen gegen geplante Verbrennungsanlagen protestierten energisch, auch die Grünen würden mit dem Feuer spielen.
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