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Schin Beth bringt auch Standfeste zum „Singen“

■ Israels Inlands-Geheimdienst Schin Beth setzt neben körperlichen Torturen zunehmend auf Psychoterror / Im „Vogelkäfig“ werden Palästinensern durch subtile Täuschungsmanöver Aussagen abgepreßt / Jeder zweite legt nach dieser Methode ein Geständnis ab

Gaza (afp) - Da brachiale Foltermethoden wie Prügel, Elektroschocks, Kältebehandlung, Einzelhaft, Nahrungs- und Schlafentzug oft nicht fruchten, hat der israelische Inlands -Geheimdienst Schin Beth seit Beginn des Intifada-Aufstands seine Methoden „verfeinert“. Die neueste und erfolgreichste Taktik, um palästinensischen Aktivisten Geständnisse abzupressen, wird von den Arabern „Vogelkäfig“ genannt: Nach tagelanger Folter und Einzelhaft wird der Verdächtige in eine Zelle gebracht, in der sich bereits Palästinenser befinden. Sie geben sich als Mitglieder der „Vereinigten Führung der Intifada“ aus und nötigen dem Neuankömmling als Vertrauensbeweis einen Bericht über seine Aktivitäten ab.

„Nachdem sie mich 20 Tage lang gefoltert hatten und merkten, daß sie nichts von mir erfahren würden, haben mich die Agenten des Schin Beth in ein anderes Gefängnis verlegt“, berichtet der junge Riad. Er gehört zur Fatah, der wichtigsten Gruppierung innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). „Ich kam in einer Zelle wieder zu mir, umringt von fünf Palästinensern, die angaben, zur 'Vereinigten Führung der Intifada‘ zu gehören.“ Als Beweis seiner Vertrauenswürdigkeit verlangten sie von Riad eine schriftliche Erklärung über seine politischen Aktivitäten.

„Ich habe tagelang gezögert, aber die Spannung zwischen uns wuchs derart, daß das Zusammenleben in der Zelle unerträglich wurde. Ich gab schließlich nach. Zwei Stunden, nachdem ich meine Erklärung verfaßt hatte, fand ich mich vor zwei grinsenden Schin-Beth-Agenten wieder. Sie hatten meine Niederschrift vor sich liegen“, berichtet der junge Mann. Nach palästinensischen Schätzungen legt jeder zweite Aktivist nach dieser Methode ein Geständnis ab.

Auch eine zweite Taktik, die auf das Redebedürfnis nach wochenlanger Einzelhaft sowie die Verbundenheit der Palästinenser untereinander setzt, bringt den israelischen Agenten weit höhere Erfolgsquoten als körperliche Folter. Jugendliche Demonstranten oder andere Aktivisten, die auch den brutalsten Verhörtechniken widerstanden, werden nach tagelangen Qualen in einen verwanzten Zellentrakt gebracht. Dort befinden sich bereits Freunde oder weitere Mitglieder ihrer Organisation. Ein Tonbandgerät zeichnet jedes Wort auf, das von Zelle zu Zelle gewechselt wird. In vielen Fällen erhalten die Folterknechte so doch noch ein Geständnis.

Hassan wurde hereingelegt, während er nach einer Razzia von einem in ein anderes Gefängnis gebracht wurde. Mit einem Jutesack über dem Kopf wurde er in ein Auto geworfen. Auf dem Rücksitz befand sich bereits ein anderer Gefangener sein Freund Ibrahim. „Unterwegs stoppten die beiden Schin -Beth-Agenten und gaben an, sie hätten eine Panne. Sie fesselten uns an einen Baum und machten sich auf die Suche nach Hilfe. Nachdem sie sich entfernt hatte, sprach ich mit Ibrahim über die Kameraden, die der Razzia entkommen konnten. Am nächsten Tag waren sie alle hinter Gittern. Unter dem Baum war ein Tonbandgerät versteckt.“

Auch Saleh Chehab wurde zum „Singen“ gebracht. Das Fatah -Mitglied kam im Mai nach zehnjähriger Haft frei. Nach seiner Festnahme im Jahre 1980, so berichtet er, wurde er von mehreren Teams des Schin Beth in die Mangel genommen vergeblich. Er widerstand allen körperlichen Qualen und verweigerte jede Aussage. Eines Tages teilte man ihm mit, er werde nach dem Libanon ausgewiesen. Ein Hubschrauber brachte ihn in den Südlibanon, wo er von Soldaten in der Uniform der Fatah empfangen wurde. Diese erklärten ihm, er müsse einen Bericht über seine PLO-Aktivitäten verfassen, damit seine Rückkehr über Beirut organisiert werden könne. Saleh tat wie ihm geheißen. Kaum eine Stunde später befand er sich wieder in seiner Zelle in Israel.

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