: Kirchen- und Politskandal: Was wußte Wallmann?
Barschelei in Hessens Staatskanzlei? / Wallmann wußte, daß sein Kanzleichef Gauland den Kirchenbeauftragten mit Falschaussagen abserviert, um Rechtsradikalen auf diesen Posten zu hieven / Gaulands Zeugen dementieren und loben den Geschaßten ■ Aus Frankfurt Mathias Bröckers
Die Affäre um den Chef der Hessischen Staatskanzlei, Alexander Gauland, zieht immer weitere Kreise. Gauland wird verdächtigt, den Leiter der staatlichen Verbindungsstelle zu den Kirchen, Rudolf Wirtz, durch falsche eidesstattliche Erklärungen und Falschaussagen vor dem Hauptausschuß des Parlaments abgeschoben zu haben. Wie berichtet, hatte der Kanzleichef und Wallmann-Vertraute sich bisher geweigert, die angeblich massiven und nachhaltigen Beschwerden über die Amtsführung des Kirchenbeauftragten zu konkretisieren. Erst nachdem er sich bei mehrfachen Befragungen durch den Hauptausschuß des Landtags in Widersprüche verwickelt hatte, nannte Gauland vergangene Woche zwei Namen: Pater Bertsch, der ehemalige Leiter der Frankfurter Jesuiten-Hochschule „St. Georgen“, und der Limburger Bischof Franz Kamphaus hätten schwere Vorwürfe, bis hin zur Illoyalität des Beamten, geäußert. Dem hatte Bischof Kamphaus am Freitag widersprochen und betont, daß er ausschließlich in einem einzigen sachlich begründeten Fall darum gebeten hatte, Wirtz wegen „Befangenheit“ abzuleh nen.
Am Samstag betonte der Limburger Domdekan Werner Böckenförde im Hessischen Rundfunk sogar, daß der Bischof die Arbeit des Kirchenbeauftragten ausdrücklich gelobt hätte: Bei einem Spitzengespräch zwischen Staats- und Kirchenvertretern im Sommer 1988 in Wiesbaden-Naurod hätte sich der Limburger Bischof gegenüber Wallmann „anerkennend über den Leiter der Verbindungsstelle geäußert“. Dafür, so Dekan Böckenförde, „müßte es eine Menge von Ohrenzeugen geben“. Wenn aber Walter Wallmann gehört hat, was ihm Bischof Kamphaus bei diesem Gespräch über den Kirchenbeauftragten mitteilte, dann wußte er über die Machenschaften seines Kanzleichefs Gauland von Anfang an Bescheid: Mehrfach hatte Gauland an Eides statt und vor dem Hauptausschuß des Landtags versichert, daß schwere Vorwürfe offizieller Kirchenvertreter zur Absetzung des Beamten Wirtz geführt hätten. Geblieben sind davon - außer Anerkennungsschreiben von evangelischer, jüdischer und freireligiöser Seite an Wirtz und einer „Menge Ohrenzeugen“ für das Lob des katholischen Bischofs - nur die Beschwerdebriefe der protestantischen Fundi-Sekte der „Evangelikalen“.
Da Wallmann und Gauland dementiert haben, daß die Beschwerden der „Evangelikalen“ bei der Ablösung des Beamten eine Rolle gespielt hätten, stehen sie jetzt völlig ohne Beschwerdeführer da. Um zu vertuschen, daß der rechtsradikale Wallmann-Spezi Wolfgang Egerter (langjähriges Vorstandsmitglied des „Witiko„-Bundes) auf einen Abteilungsleiterposten gehievt werden sollte, hat Gauland mit offensichtlichen Falschaussagen vor Gericht und vor dem Parlament operiert - und Wallmann wußte Bescheid. Dafür gibt es Zeugen, die er wahrlich schlecht als Lügner hin stellen kann: eine Menge Bi schöfe.
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