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„Man muß sich Sorge um die Anstalt machen“

■ Radio Bremens Klostermeiers Überlebensstrategie für buten § binnen und Radio Bremen: Möglichst nicht drüber reden

Je mieser die Lage, um so weniger darüber reden. Nach diesem Motto verfährt zur Zeit das Direktorium von Radio Bremen, und der Rundfunkrat, das Aufsichtsgremium des Senders, ist mit dieser Strategie offensichtlich zufrieden und läßt den Intendanten erstmal machen. So in etwa läßt sich die Sitzung des Rundfunkrates zusammenfassen, auf der am Montag nachmittag über die Situation von Radio Bremen im allgemeinen, von buten & binnen im besonderen und der Kündigung des Studios auf den Höfen

im speziellen gesprochen wurde.

„Eine dramatische Entwicklung“, hat der medienpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion und Bremer Rundfunkrat Bernd Neumann in den letzten Wochen festgestellt. Soll heißen: Wenn in der DDR über die Einrichtung von Landesrundfunkanstalten entschieden werde, könne es auch zu einer Neuordnung des Rundfunks in der Bundesrepublik kommen. Ganz oben auf der Abschußliste laut Neumann: Der eigenständige Sender Radio Bremen. In den Gremien seiner Par

tei habe er nur knapp verhindern können, daß die Abschaffung des Bremer Senders in ein Positionspapier geschrieben wurde. „Diese Stimmung geht durch alle Parteien.“ Besonderes Problem: Der Finanzausgleich, durch den Radio Bremen zu einem Drittel finanziert wird, basiert auf der Verpflichtung, zum gemeinsamen ARD-Programm 3 Prozent zu liefern. Durch Zulieferungen aus den künftigen Landesstudios der Noch-DDR wäre dieser Anteil bedroht. Neumann: „Weniger als drei Prozent stellt den Finanzaus

gleich in Frage.“ Seine Forderung an den Intendanten: „Wenn wir für die Selbstständigkeit sind, muß eine Strategie her. Abwarten hilft nicht. Man muß sich Sorge um die Anstalt machen.“

Intendant Klostermeier dagegen sah für Dramatisierung keinen Anlaß: „Wenn Bremen in einem Nordstaat aufgeht, dann geht auch Radio Bremen im Nordfunk auf“, wiegelt er ab. Die Intendanten seien sich einig: Kein Thema. Und aus einer Intendanten-Runde will Klostermeier auch die Zusage haben, daß es beim Bremer 3-Prozent-Anteil bleibe. „Die Neumann -Analyse ist richtig“, meinte dagegen SPD-Rundfunkrat Manfred Fluß. „Wenn Klostermeier sagt, das sei kein Thema, dann nur, weil er will, daß das kein Thema ist.“ Und auch Neumann war mit der „Einlullerei“ des Intendanten hörbar unzufrieden. „Hier große Sprüche machen, und dann in der Intendantenrunde den Mund halten“, schätzte er die Klostermeier-Strategie ein. Auf Nachfrage der Grünen Dagmar Bleiker gab Klostermeier dann zu, daß die 3-Prozent-Garantie längst noch nicht ausgemachte Sache ist: „Wenn Sie sagen, es kann alles ganz anders kommen, dann ist das richtig.“

Ganz anders als von allen erhofft, kann es auch noch für buten & binnen kommen. Der Renner des Bremer Lokalfernsehens ist existentiell bedroht, seit die ARD beschlossen hat, die Vorabend-Programme zwischen Flensburg

und Garmisch nach dem gleichen Schema zu bestücken. Zwei Serien sollen überall parallel laufen, um bundesweit zentral Werbung akquirieren zu können. Da bleibt lediglich ein 20 -Minuten-Plätzchen für Lokales. Mit dieser Zeit, da sind sich alle einig, kommt buten & binnen nicht aus. Einvernehmliche Forderung von Rundfunkrat, Redakteursausschuß und Redaktion: 25 Minuten müssen her. „Irgendwie kriegen wir das schon hin“, so die unausgesprochene Antwort von Klostermeier und Fernsehprogrammdirektor Rüdiger Hoffmann. Doch wie mochten die beiden dem Rundfunkausschuß nicht erläutern, um die Verhandlungen mit dem Intendanten nicht durch Öffentlichkeit im verkehrten Moment zu stören. Im Fernsehausschuß des Rundfunkrates ging es da offener zu. Da hatte das Direktorium verkündet, man wolle die fehlenden Minuten unter anderem dadurch herausholen, daß die überregio

nalen Serien entsprechend gekürzt werden. Ob das tatsächlich toleriert wird, ist offen. Klostermeier: „Wir haben mit den wichtigen Personen geredet. Eine schriftliche Abmachung gibt es noch nicht.“

Schriftliches in Hülle und Fülle gibt es dagegen zu einem Vorgang, der inzwischen zwei Jahre zurückgeht. Da hatte Radio Bremen dem Vermieter des Swutsch-Studios auf den Höfen unter Androhung der Kündigung zunächst eine Frist zur Behebung von Mängeln eingeräumt, und war dann aber vor Ablauf dieser Frist kurzerhand ausgezogen. Begründung: Gefahr für Leib und Leben der MitarbeiterInnen, da im Keller Stromkabel im Wasser lägen. Die erste Instanz hat Radio Bremen mit Pauken und Trompeten verloren, da zur Zeit der fristlosen Kündigung überhaupt keine Sendungen produziert wurden. Davon unbeeindruckt will der Sender in Berufung gehen.

hbk

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