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Wer ist das deutsche (Wahl-)Volk?

Das Bundesverfassungsgericht verhandelte über das kommunale Ausländerwahlrecht  ■  Aus Karlsruhe F. Forudastan

Verstößt es gegen das Grundgesetz, daß Hamburg und Schleswig -Hostein im letzten Jahr ein Wahlrecht für AusländerInnen eingeführt haben? Über diese Frage verhandelte gestern das Bundesverfassungsgericht.

Angestrengt hatten die Normenkontrollklage gegen die Gesetze Schleswig-Holsteins und Hamburgs gleich zwei Parteien: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Bayerns Staatsregierung.

Dreh- und Angelpunkt ihrer Ablehnung: Ausländer sind kein Wahlvolk im Sinne des Grundgesetzes, weil sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. „Volk ist die Gesamtheit aller Angehörigen eines Staates“, so der Vertreter der CDU/CSU, Josef Isensee. Entscheidend sei die „nationale Zugehörigkeit“.

Volk und damit Wahlvolk wird also nicht bestimmt durch den Lebensmittelpunkt der Menschen, nicht durch ihre gesellschaftliche Einbindung. Volk, so Isensee und andere Prozeßvertreter, sei die „unentrinnbare Schicksalsgemeinschaft aller Angehörigen eines Staates“.

Dieser Argumentation der CDU-/ CSU-Fraktion und Bayerns mochten die Vertreter der beiden nördlichen Bundesländer nicht zustimmen. Sie knüpften das „Volk“, von dem nach Artikel 20 GG alle Staatsgewalt ausgeht, nicht an die Staatsangehörigkeit. „Volk“ sind für sie die „Betroffenen“, die „Unterworfenen“ in einem Staatswesen - so der Vertreter Schleswig-Holsteins, Bryde. Demzufolge gehörten auch Ausländer zum Wahlvolk.

Allerdings führten die Beklagten an erster Stelle ein ganz anderes, viel weniger prinzipielles Argument für das kommunale Ausländerwahlrecht ins Feld. Gewählt werden sollten ja nur Gemeindeparlamente. Gemeinden seien aber etwas anderes als der Staat auf Bundes- oder Landesebene. Gemeinden seien - ähnlich wie Universitäten oder Berufskammern - lediglich eine Form von Selbstverwaltungskörperschaften. Deshalb sei für Gemeindewahlen nicht entscheidend, wer zum wahlberechtigten Staatsvolk gehöre, entscheidend sei vielmehr, ob man von den „örtlichen Angelegenheiten der Gemeinde“ betroffen sei.

Diese Unterscheidung mochten die Kläger nicht gelten lassen: „Das Wahlvolk ist auf allen staatlichen Ebenen identisch“, so etwa Manfred Langner, Justitiar der CDU/CSU -Bundestagsfraktion. Das Urteil werden die Richter vermutlich im Herbst fällen.

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