piwik no script img

Schnüffeln & Spitzeln auch bei Ihnen

■ Datenschutz-Beauftragte kritisiert Ausweitung der Polizei-Befugnisse

Doch, auch Sie Unschuldslamm können demnächst dran sein: Telefonüberwachung, Polizei-Photos durchs Fenster in Ihr Wohnzimmer, in Ihr Schlafzimmer, Wanzen in der Sessellehne, Richtmikrofone für die Gespäche am Küchentisch. Und zwar ohne, daß Sie auch nur etwas davon ahnen. Nach einem Gesetzentwurf „zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität“ soll das, was Polizei und Ermittlungsbehörden künftig dürfen werden, ganz erheblich ausgeweitet werden. „Schwere datenschutzrechtliche Bedenken“ meldeten gestern die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes an, nachdem im Bundesrat der Gesetzentwurf - übrigens immerhin gegen die Bremer und Berliner Stimmen - angenommen worden ist.

Unter Federführung des Bremer Datenschützers Dr. Alfred Büllesbach warnen die Datenschützer eindringlich: Erstmals werden Rasterfahndung, verdeckte Ermittler, Wanzen, Richtmikrofone und heimliche Film- und Fotoaufnehmen in die Strafprozeßordnung aufgenommen. „Nur unter dem Vorwand der Drogenkriminalität“, findet Büllesbach, denn diese Ermittlungsmethoden werden nicht nur großen Rauschgiftdealern gegenüber angewendet. Gerade mal ausgenommen ist die Kleinkriminalität. Aber auch für eine Vielzahl von Delikten außerhalb der organisierten und der Rauschgift - Kriminalität sind die neuen Methoden vorgesehen. „Tief in die Privatsphähre eindringende Ermittlungsmethoden werden nicht hinreichend präzisiert und sind unverhältnismäßig“, warnen die Datenschützer, dies gelte etwa für Aufnahmen in Privatwohnungen hinein und für „besondere Sichthilfen“. Die Spitzel-Maßnahmen dürfen sich vor allem auch gegen „dritte unverdächtige Personen“ richten, wenn irgendeine, auch zufällige Verbindung mit einem möglichen Täter vermutet werden kann. Foto- und Filmaufnahmen sind zulässig, wenn sie als „geeignet“ erscheinen. Weil niemand von der Spitzelei etwas ahnt, gibt es in der Regelnicht einmal Rechtsschutz. Ohne richterliche Kontrolle soll die Entscheidung über solche Maßnahmen durch Eilkompetenzen ausgerechnet bei der Polizei selbst liegen. Und: Regelungen zum Schutz der Betroffenen sind höchst mager. Die Daten dürfen für andere Zwecke weiterverwendet werden.

Forderung der Datenschützer: Der Bundestag soll den Gesetzentwurf ablehnen. S.P

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen