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Wie die D-Mark in die UdSSR kommt

■ Letzter DDR-Exportboom / Was bringen 3 Milliarden Transferrubel? / Rote Armee braucht 1,5 Milliarden DM

Berlin (afp) - Die Einführung der D-Mark in der DDR vollzieht sich für die Sowjetunion in zwei Stufen. Zum 1.Juli wird der gesamte „nichtkommerzielle Zahlungsverkehr“ auf konvertierbare Devisen umgestellt. Mit dem Stichtag am Sonntag muß jeder in der DDR stationierte Soldat, jeder Diplomat, Tourist oder Ingenieur aus der Sowjetunion sein Bier, seine Fahrkarte oder seine Miete in harter westdeutscher Währung zahlen. Allein die Sowjetarmee benötigt für das zweite Halbjahr etwa 1,5 Milliarden DM.

Woher das Geld für die Armee kommen soll, aus einem Kredit oder zusätzlichen Warenlieferungen gegen D-Mark, darüber wird zwischen Moskau und Ost-Berlin bis zur letzten Minute gefeilscht. Die übrigen „nichtkommerziellen“ Ausgaben wird die UdSSR voraussichtlich durch eigene D-Mark-Einnahmen bestreiten können, meint der Leiter des Referates UdSSR -Handel im Ostberliner Wirtschaftsministerium, Lothar Bauer.

Für den sowjetischen Normalbürger wird die DDR hingegen nach der Währungsunion fast unerreichbar. Das staatliche Reisebüro Intourist hat alle Reisen in die DDR ab 1.Juli bis mindestens Oktober abgesagt, weil die Devisenreserven nicht ausreichen. Der Handel zwischen der DDR und ihrem größten Handelspartner - etwa ein Viertel bis ein Drittel aller DDR -Exporte gehen noch in die UdSSR - soll erst zum Jahreswechsel auf D-Mark umgestellt werden. Die DDR erlebt gegenwärtig noch einmal einen Exportboom in die UdSSR. Im vergangenen Jahr überstiegen die DDR-Ausfuhren in die UdSSR den Import um 800 Mio. Transferrubel. 1990 soll er mindestens 2 Milliarden betragen, bestätigt Bauer. Die Sowjetunion will bis zum Ende des Jahres noch die Möglichkeit nutzen, mittlere Technologie ohne harte Devisen einzukaufen. Ende Mai vereinbarten beide Länder zusätzliche DDR-Lieferungen von Kosmetik, Pharma-Artikeln, Radio- und Fernsehempfängern und Maschinen im Wert von etwa 1,5 Milliarden DDR-Mark.

Weitere Verträge wird es aber nicht mehr geben. Was der überschuß der Jahre 1989 und 1990 von knapp 3 Milliarden Transferrubeln einmal wert sein wird, soll bis Ende Juli ausgehandelt sein. Bauer läßt keinen Zweifel daran, daß die DDR „mehr herausholen will“ als Ungarn, das gegenüber der UdSSR nur einen Kurs von 0,92 Dollar für einen Transferrubel durchsetzen konnte. Der Transferrubel ist eine fiktive Währungseinheit für den Handel zwischen RGW-Ländern, der einem Korb harter Devisen folgt.

Der Abgesang des klassischen DDR-Außenhandels mit der UdSSR kommt im September. Dann soll letztmalig ein Handelsprotokoll mit den früher üblichen detaillierten Lieferlisten abgeschlossen werden. Sie sollen noch etwa die Hälfte des Handelsvolumens mit der UdSSR regeln, der Rest soll dann schon frei zwischen Unternehmen ausgehandelt sein. Die DDR ist wie gegenüber einem Entwicklungsland besonders an Roh- und Grundstoffen wie Erdöl, Erdgas, Erzen, Schnittholz und Papier interessiert. Die Sowjetunion will weiter Schiffe, Reisezugwagen, Maschinen für die Konsumgüterproduktion und Pharma- und Kosmetikartikel beziehen.

Für Fertigprodukte aus der UdSSR sieht Bauer „kaum noch Chancen“. Bereits jetzt wird in der DDR bestellte sowjetische Industrieware oft nicht mehr abgenommen altmodische Moskwitsch-Autos, zu schwere Traktoren, Berieselungsanlagen für LPGs oder zu schwefelhaltiger Koks. Die Vertragspartner müssen sich dann umständlich über Abfindungen oder Konventionalstrafen einigen.

Weil aber die mittel- und langfristigen Lieferverpflichtungen der DDR an die UdSSR den ausdrücklichen „Vertrauensschutz“ der Regierungen in Ost -Berlin und Bonn genießen, ist ihre Erfüllung ein Politikum, das Subventionen rechtfertigt. Die DDR-Unternehmen, die in die UdSSR exportieren, erhalten ab 1.Juli für einen Transferrubel 2,34 D-Mark ausgezahlt, die Hälfte des bisherigen Betrages in DDR-Mark. Und da die bisherige RGW -Preisbildung oft fern der realen Kosten arbeitete, kalkuliert das DDR-Wirtschaftsministerium bereits für das 2.Halbjahr 1990 zwei Milliarden D-Mark Subventionen im RGW -Handel ein.

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