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Hamburg: FDP zeigt SPD die Zähne

Heftiger Schlagabtausch in der sozialliberalen Koalitionsregierung um Mieten und Verfassung  ■  Aus Hamburg Jürgen Oetting

Im Gebälk der einzigen sozial-liberalen Koalition in der Bundesrepublik knirscht es vernehmlich. Die Hamburger Regierungspartner sind sich bei zwei Themen heftig in die Haare geraten: der Mietenpolitik und der Verfassungreform für den Stadtstaat. Seit Wochen weigern sich die hanseatischen Liberalen, eine Bundesratsinitiative von SPD und bayerischer CSU zur Veränderung des Mietrechtes mitzutragen. Die SPD-Vorschläge zur Verfassungsreform wurden vom Landesvorsitzenden der Freidemokraten, Robert Vogel, auf dem kleinen Parteitag seiner Partei Anfang dieser Woche gar mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis in Verbindung gebracht.

Entsprechend heftig reagierten die SozialdemokratInnen. Ihr Fraktionsgeschäftsführer Gerhard Heinrich bezeichnete den FDP-Vorsitzenden als „starrsinnigen alten Herrn, der Gefallen daran findet, den Ersten Bürgermeister und die Hamburger SPD durch täglich wiederkehrende Sticheleien herabzusetzen“. Tatsächlich ließ Vogel in den vergangenen Wochen kaum eine Gelegenheit aus, dem Koalitionspartner einen zu geigen. In der Verfassungsreform, so der FDP-Chef, strebe Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) eine „Art von Präsidialdemokratie“ an.

Stimmen hier noch viele zu, ist die Vogel-Position zur Mietrechtsänderung dagegen weniger populär. Der FDP-Chef er ist Hamburgs größter privater Immobilienbesitzer - lehnt es strikt ab, daß Mieten künftig innerhalb von drei Jahren höchstens um 15 Prozent statt um 30 Prozent steigen dürfen. Dieser Standpunkt wurde vom FDP-Bundesvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff auf dem kleinen Hamburger FDP-Parteitag unterstützt.

Das Verhalten der Liberalen in der Mietenfrage geht den Sozialdemokraten deutlich an die programmatische Substanz. In der Hansestadt werden nämlich mit der Wohnungspolitik Wahlen gewonnen. Deshalb halten führende SPD-Landespolitiker gelegentlich nach einem neuen Koalitionspartner Ausschau jedoch ohne Erfolg. SPD-Fraktionschef Günter Elste bedauerte schon vor Wochen, daß es in Hamburg keine funktionierenden Grünen gibt.

Regierungschef Voscherau ist politischen Flirts mit dem von der GAL abgespaltetenen Realo-Flügel - selten abgeneigt. Doch dabei dürfte es sich lediglich um Drohgebärden des trickreichen Stadtoberhaupts gegenüber den Liberalen handeln. Ein Bündnis mit den ehemaligen GALierInnen hat keine Perspektive. Niemand weiß, was nach der Bürgerschaftswahl des nächsten Frühjahrs aus dem Dissidentinnen-Sextett wird.

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