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Gefährliche Kinderspiele: Bolzen im Giftmüll

■ Ortsamt, Beirat und Bürgerinitiative bisher uninformiert

Symbolisch sperrten Mitglieder der „Bürgerinitiave Halmgebiet“ den Bolzplatz Hockenstraße in Lesum ab. Denn der Bolzplatz ist für Kinder noch immer nicht gesperrt, geschweige denn saniert, obwohl in Bodenproben des Gebietes in ein bis zwei Metern Tiefe hochgiftige Stoffe entdeckt worden waren. Die Sandkiste selbst ist seit einigen Monaten gesperrt. In ihr fand man 20-30 Zentimeter unter der Oberfläche hohe Konzentrationen von Polyzyklischen Kohlenwasserstoffen (PAK), die hochgradig krebserregend sind. Gutachter waren zu dem Schluß gekommen, daß sich im Bereich des Bolzplatzes „eine Gefährdung durch inhalative Staubaufnahme für hier spielende Personen ergibt“. Die Bürgerinitiave fordert deshalb die vollständige Sanierung von Bolzplatz und Sandkiste und deren Erhalt für ihre Kinder.

Beides soll Platz machen für die Erweiterung eines in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Betriebes. Die Kinder sollen neue Spielmöglichkeiten neben der Schule Am Steinkamp bekommen. Deren Eltern bemühen sich seit zwei Jahren mit Unterstützung des Kinderschutzbundes um die Erhaltung des Areals.

Ein vorläufiger Bericht, der im Auftrag des Amtes für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft erstellt und der Bürgerinitiative zugespielt wurde, ließ die Betroffenen erschauern: Neben den PAKs fand man besonders in Randbereichen des Bolzplatzes die Schwermetalle Blei, Cadmium, Arsen, Kupfer und Zink.

Auf Grundlage des niederländischen Leitfadens für Bodensanierung ergaben die Bodenproben z.B. für Blei Mengen von 200-400 mg/kg Trockensub

stanz. Der sog. „B-Wert“ (erhöhter Wert) läßt jedoch höchstens 150 mg zu. Eine Bleiprobe ergab sogar 5.609 mg. Die niederländische Liste empfiehlt dagegen ab einer Belastung von 600 mg eine Sanierung des Bodens.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative sind sauer auf die Behörden, weil sie nicht informiert wurden: Der Zwischenbericht ist vom 29. Dezember. Auch der Lesumer Beirat war ahnungslos. Darum ließ man sich jetzt von VetretreterInnen des Amtes für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft und Hauptgesundheitsamtes unterrichten. Elli Aulfes, Beiratssprecherin: „Ich finde es ein Unding.“ Der Beirat sah sich darum nicht zu einer Entscheidung in der Lage, bis ihm der Bericht vorliegt.

Rolf Wundes, Referent für Altlasten und Sonderabfälle beim Amt für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft, hält Proteste von Bürgerinitiave und Beirat für nicht so tragisch. „Bevor so etwas an die Öffentlichkeit geht, müssen die gutachterlichen Aussagen geprüft werden“, sagt er. Dann erst würden die zuständigen Ortsbeiräte informiert.

Bevor das endgültige Gutachten vorliegt, müssen die Grundwasserproben ausgewertet werden. Die BI befürchtet, daß es die Altlasten ausschwemmen könnte. Denn das Areal liegt an einem Hang. Und: nach Lage der Dinge werden die zuständigen Beamten eine Versiegelung des Platzes durch Überbauung empfehlen, weil man gar nicht wisse, was alles genau dort im Boden sei. Dazu die Vertreter der BI: „Durch die Fundamente der dort geplanten Hallen werden die ganzen Altlasten noch weiter ins Erdreich gedrückt.“

ubu

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