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„Wasser wird kostbarer werden als Erdöl“

Der dreitägige, afrikanische „Wassergipfel“, der von Montag bis Mittwoch in Kairo tagte, fordert weltweite Kooperation bei Wasser- wirtschaft / Doch statt das Mögliche ins Auge zu fassen, war die Rede vom vielleicht morgen oder gar erst übermorgen Machbaren  ■  Aus Kairo Frank Ludwig

Das luxuriöse Ambiente des neuen Kairoer „Semiramis Intercontinental“ stand in denkbar krassem Gegensatz zu dem, was hier der erste afrikanische Wassergipfel von Montag bis Mittwoch verhandeln wollte: Den drohenden kontinentalen Kollaps in Folge immer dramatischer werdenden Mangels an trinkbarem Wasser - und Wege, um der sich längst abzeichnenden Katastrophe doch noch irgendwie zu entgehen. Ob es nun die noblen Kulissen waren, die gravitätische Ruhe ausstrahlten, oder die staubig-drückende Hochsommerhitze der ägyptischen Metropole - die 104 Teilnehmer aus 43 afrikanischen Staaten, viele auf Ministerebene vertreten, dazu Abgesandte von UNO, Weltbank, Dritte-Welt -Forschungszentren und Entwicklungshilfe-Organisationen, sie alle kamen während der drei Tage kaum mehr in Wallung als der Nil, der sich gemächlich zu Füßen des Hotels entlangschleppt. Ob es wenigstens beim Diner im exklusiven Kairoer „Tahrir-Club“ oder bei der abschließenden Mitternachts-Kreuzfahrt lebhafter zuging, entzieht sich der Kenntnis des Chronisten. Die Presse war nicht zugelassen.

Dabei war doch die eröffnende Vorgabe von Frau Dr. Starr, US-Wissenschaftlerin und Initiatorin des sogenannten „Global Summits Project On Water-Policy And -Technology“, in dessen Rahmen der afrikanische Wassergipfel stattfand, aufrüttelnd genug. 80 Prozent der Krankheiten in Dritte-Welt-Ländern hängen mit dem akuten Mangel an trinkbarem Wasser zusammen. 25.000 Kinder sterben dort schon heute täglich. Und die Tendenz geht steil nach oben. Am prekärsten, so die international renommierte Fachfrau in Sachen knapper werdende Wasserresourcen, ist die Lage in Afrika. Angesichts des welthöchsten Bevölkerungszuwachses von jährlich gut drei Prozent gefährden die begrenzten Wasservorräte jegliche Entwicklung. Das Leben von 250 Millionen Afrikanern, 40 Prozent der Menschen auf dem schwarzen Kontinent, ist in akuter Gefahr. Ein großer Teil von ihnen wird die Jahrtausendwende nicht erleben können, wenn nicht bald etwas geschieht. Nur was?

Potentiell ist Afrika von der Natur mit Wasservorkommen ausgesprochen reich bedacht worden. Doch potentiell wurde auch der Sudan einmal als Brotkorb und Fleischtopf des Kontinents gehandelt. Und nun verhungern jährlich Hunderttausende in dem vom Bürgerkrieg und Dürrekatastrophen heimgesuchten Land.

„Die Denkmuster der Menschen müssen verändert werden“, sagte Dr. Starr der taz. „Die politischen Entscheidungsträger in Afrika sind zu sensibilisieren für die ungeheueren Gefahren, die auf Afrika zukommen.“ Im Jahre 2000, meint sie, „wird Wasser kostbarer sein als Erdöl. Was das für die Ärmsten der Armen bedeutet, liegt auf der Hand.“ Dies ins Bewußtsein zu rücken, darin sieht die Wissenschaftlerin die Hauptstoßrichtung ihrer Initiative. Sie will diese daher nicht als lediglich neue Variante unter schon zahllos vorhandenen verstanden wissen. Frei von den Zwängen offizieller Verhandlungen und weit über rein technische Details hinausreichend, sollen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in den Diskurs über Strategien der weltweiten Kooperation treten. Denn das „Water Summits Project“ darf sich nicht auf Afrika beschränken, da „das Wasserproblem die Menschheit insgesamt bedroht. Es kann also nur eine globale Lösung geben.“

Doch die meisten jener, die zum Afrika-Wassergipfel gekommen waren, schienen so ihre Schwierigkeiten mit der Initiative von Dr.Starr gehabt zu haben. Da wurde nicht über die politischen Implikationen des drohenden kontinentalen Wasserkollapses debattiert, nicht darüber, daß nationale Egoismen - um nicht zu sagen der Eigennutz der herrschenden Eliten - die regionale Zusammenarbeit bislang noch immer im Ansatz blockieren. Da ging es nicht um das Mißmanagement und um die Inkompetenz der verfilzten Bürokratien allerorten, die den allgemeinen Wassermangel noch zusätzlich verschärfen. Kaum ein Wort fiel über das heute Mögliche und Notwendige. Statt dessen tauschte man sich des langen und breiten aus über das vielleicht Machbare von morgen, wenn nicht gar erst von übermorgen: Gesamtafrikanische „Master -Pläne“ zur Optimierung von Wassernutzung und -erschließung, Verbundnetze quer über den Kontinent, Satelliten -Fernerkundung, unterirdische Lagerstätten - vor allem die unter dem Sand der Sahara vermuteten riesigen „Wassertanks“

-, Entsalzung der Küsten und und und...

„Alles sicher wünschenswerte Vorhaben“, meinte Guy Le Moigne am Rande der Konferenz zur taz. „Doch wo sind die Lösungen, die jetzt greifen und nicht irgendwann?“ Als „Senior-Adviser für Landwirtschaft und Wasserresourcen“ im Dienste der Weltbank weiß er nur zu gut, daß die ohnehin überschuldeten afrikanischen Länder für all dies auf neue Zuschüsse vom internationalen Kapitalmarkt angewiesen wären. Doch da die Banken längst nur noch Geld über den Tisch schieben, wenn sie sich über die Realisierbarkeit zu finanzierender Projekte und über den garantierten Rücklauf der investierten Mittel - inclusive Profit - sicher sind, schüttelt er nur den Kopf über die in die angenehm kühle Konferenzluft gebauten Schlösser. „Immerhin jedoch“, so versucht Dr. Starr eine positive Bilanz des Auftaktes ihres Projektes zu ziehen, „haben sich die Teilnehmer auf eine Deklaration verständigt, die die Selbstverpflichting enthält, den Dialog untereinander verstärkt fortzusetzen.“ Das ist die Richtung, in die es gehen muß, resümiert sie und hat schon den nächsten Gipfel im Auge: Naher Osten, Asien, Osteuropa.

Der Nil draußen hatte natürlich keine Ahnung davon, was da im Semiramis-Intercontinental zu Kairo drei Tage lang vor sich ging. Und selbst wenn, große Wellen hätte er sicherlich nicht geschlagen. Apropos Nil: Schon die alten Pharaonen wußten, daß der Nil ewig fließen wird. Der Mensch aber, der nicht mit dem Nil zu leben versteht, warnten sie, muß sterben.

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