Windenergie: Alibi oder Umweltschutz?

■ Bei der Tagung „Windenergie Bremen '90“ gerieten die Energie-Versorgungs-Unternehmen als Entwicklungsbremser in die Kritik

„Sie haben ihre Ausführungen sehr sachlich dargestellt, ich finde sie jedoch tendenziös.“ Harte Worte der Kritik erwarteten Rolf Bauerschmidt von den Bremer Stadtwerken, nachdem er den 160 Teilnehmern an der 3. Tagung „Windenergie Bremen '90“, die gestern auf der BremTec endetet, über den Stand des geplanten Windparks an der Außenweser nördlich von Bremerhaven unterrichtet hatte.

Sie kamen aus dem Mund des Sulinger Ingenieurs Hartmut Wagner. Was Wagner auf die

Palme brachte, war die „Halbherzigkeit“, mit der die Energie -Versorgungs-Unternehmen (EVU) die Sache der Windenergie betreiben. „Das sind doch alles Alibi-Projekte, die von den EVUs mehr schlecht als recht betrieben werden“, verhöhnte Wagner die „kleinkarierten“ Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit der Windenergie, mit denen Bauerschmidt seine Zuhörer bombardiert hatte. Tatsächlich würden die Energieversorger eine zügige Entwicklung auf diesem Gebiet bremsen, weil sie um ihr Energie

monopol fürchten. „Windenergie, daß heißt auch immer dezentrale Energie, und das wollen die nicht“, schimpfte der Ingenieur.

Die Zweifel am Engagement um „die wirtschaftlichste aller regenerativen Energien“ sind nicht unbegründet. Das Prinzip Profit ist den Unternehmern auch auf der Bremer Tagung immer noch näher als das Prinzip Umweltschutz. Horst Selzer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (Veranstalter), behauptete in seiner Begrüßungsrede beispielsweise, daß die

Windenergie nach der Atomenergie das Kohlendioxidproblem lösen helfen könne. Kein Wunder, daß ihm das Mäntelchen vom Umweltschutz nicht gut steht.

Dabei spricht vieles für einen verstärkten Ausbau der Windenergie. Knapp zehn Gramm Schwefeldioxid, fünf Gramm Stickoxid, 950 Gramm Kohlendioxid und 50 Gramm Flugasche erspart eine windenergetisch erzeugte Kilowattstunde der Umwelt im Vergleich zu Kohlekraft produzierten. Und die Anlagen sind bereits so weit entwickelt, daß sich nicht nur avantgardistische Bauern ein Windrad hinter die Scheune stellen können. „Mittlerweile investieren auch private Verbünde für die Versorgung ihrer Häuser in Windenergie“, berichtet Norbert Giese von der Bremer Firma AN -Umweltschutzanlagen. Giese hält das Prinzip der Verzögerung von technischen Entwicklungen als Strategie der EVUs von dem Augenblick an gelöst, in dem Windparks kommerziell genutzt werden. Der Windpark, den die Stadtwerke Bremen zusammmen

mit einem privaten Investor bei Wremen aufbauen, soll als erster der BRD seine Stromerzeugung in das Netz der dortigen ÜNH (Überlandwerke Hannover) einspeisen.

Die Rechnerei mit dem Pfennig ist eine betriebswirtschaftliche,

keine volkswirtschaftliche. Eine winderzeugte KWh kostet 15 -20 Pfennig, eine kohleerzeugte nur fünf. Dafür entstehen bei einer KWh aus Kohle ökologische Folgekosten von 10 Pfennig, bei Atomkraftwerken sogar von 20 Pfennig. ma