: Die Azoren - Grüne Inseln, halbwegs in Amerika
Die Azoren liegen mitten im Atlantik auf den Gipfeln untermeerischer Vulkane / Hier war der Walfang Handarbeit / Nur wenige TouristInnen wg. Regen ■ Von Micheal Weisfeld
Wenn in Bremen die Sonne scheint, kommt das Hoch oft von den Azoren. Prinz Albert von Monaco war es, der den Zusammenhang zwischen dem mittelatlantischen und den europäischen
Wetter entdeckte. Seine Idee war es auch, auf dem „Monte das Mocas“, einem steilen Hügel auf der Azoreninsel Fayal eine Wetterstation zu bauen. Das war um 1890. Die Station steht heute noch, sieht eher aus wie eine kleine Kirche und ist nach dem
wissenschaftlich interesssierten Prinzen benannt. Zu dessen Meriten gehören noch andere Forschungen. Er entdeckte und beschrieb Tiefseekraken, die der Fachwelt seiner Zeit noch unbekannt waren. Azoreanische Walfänger hatten die Kraken aus den
Bäuchen ihrer Beutetiere geschnitten.
Der Walfang ist der Stierkampf der Azoreaner. Sie lernten ihn von den Amerikanern, die im vorigen Jahrhundert von New England aus auf ihren Fangreisen die Azoren anliefen, um Wasser und Proviant zu bunkern, und um azoreanische Seeleute anzuheuern.
Walfang von Hand
Für ihren eigenen Walfang brauchten die Azoreaner keine Schiffe, um den Walen nachzujagen. Denn die Wale - als es noch welche gab - schwammen zwischen ihren Inseln hindurch. Als der Walfang aufkam, bauten sie hölzerne Giebel aus den Dächern ihrer Häuser heraus und setzten alte Leute oder Kinder hinein, die mit den Augen den Meeresspiegel abzusuchen hatten. Wenn sich die Fontainen zeigten, wurden die bäuerlichen Walfänger von den Weiden und aus den Gemüsegärten geholt. Früher über Glockengeläut, in späteren Jahren über Telefon. Schmale Ruderboote, die auch gesegelt werden konnten, lagen startklar in den Häfen.
Damit schlichen sich die Walfänger mitten in die Herde hinein und warfen ihre Harpunen in die Leiber der Tiere. Auf den folgenden Moment der Gefahr sind sie und ihre Söhne noch heute stolz: Das getroffene Tier schwamm in Panik davon und riß das Boot mit sich, bis es ermüdet war und dann mit zahllosen Lanzenstichen regelrecht geschlachtet wurde.
Das ist nun alles Geschichte. 1983 kam der letzte Wal vor den Azoren auf diese Weise ums Leben. Die Walfänger von einst sitzen in heute den Kneipen von Larjes auf der Insel Pico und gucken wehmütig auf die Fotos an der Wand, die von ihren Heldentaten künden. Ihre Frauen und Töchter verkaufen „Scrimshaw“ in den Souvenierläden, Schnitzereien auf Pottwalzähnen. Mehrmals im Jahr veranstalten die früheren Walfänger Wettrennen mit ihren Booten, die noch immer im Schuppen liegen, allzeit startbereit. „Eingebracht hat nicht viel“, sagt Julio Baptista, der als junger Mann selbst Wale gejagt hat, „aber es gehörte zu unserem Lebensgefühl.“
Die Azoren sind ein Stützpunkt zwischen der alten und der neuen Welt. Portugiesische Entdecker fanden sie im 15. Jahrhundert eher zufällig. Von den portugiesischen Siedlern, die in den folgenden Jahrhunderten kamen, sind die meisten nach einigen Generationen Aufenthalt nach Kanada oder Brasilien weitergereist - oft wegen heftiger Vulkanausbrüche.
Auch im Outfit der Inseln mischen sich die Einflüsse. Agaven, Maracuyya und Drachenbäume ragen aus den Gärten, sodaß der Weitgereiste sich in Südamerika wähnt. Die Höhen der Inseln krönen Sicheltannen, die zwar aus Japan stammen, aber trotzdem aussehen wie aus dem Schwarzwald. Tatsächlich aus Deutschland stammen die schwarzbunten Kühe. Die einzelnen Weiden sind mit zartblau blühenden Hortensienhecken abgeteilt - weil sie den Kühen nicht schmecken.
Trotz dieser Schönheiten werden die Azoren kein Mallorca werden. Ihr Glück: Das Wetter ist zu schlecht - aber immer noch sonniger als zu Hause.
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