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„Wir wollen den Denkmal-Begriff erweitern“

■ Die „Bürgerintiative Bremer Stadtbild“ kämpft um verbliebene Arbeiterwohnquartiere / „Das Bewußtsein für Denkmalpflege ist unterentwickelt“

Das Senatsgästehaus ist nur noch Erinnerung, die Schlachterei Lindemann in Lesum wird abgerissen, wenn sich keine Käufer finden, die Künstlerkolonie in der Feldstraße kämpft verzweifelt für ihren Erhalt. Der Abriß Altbremer Bausubstanz vollzieht sich schleichend, begünstigt durch Parzellierung und Kleinteiligkeit, - Phänomene, die in der bisherigen Bebauung den Charme des Bremer Stadtbildes ausmachten: war Bremen doch die einzige Stadt, in der um die Jahrhundertwende Reihenhäuser dominierten. Vorgeschrieben wurde dies per Bauordnung, um trübsinnige Hinterhofidylle Berliner Bauart von vornherein zu verhindern. Davon zehrt Bremen mit Image und Identität bis jetzt. Ein entscheidender Nachteil der sympathischen Kleinteiligkeit liegt in den individualistischen Entscheidungen der Eigentümer über Gestaltung und Modernisierung ihrer Häuser. Statt fachkundiger Sanierungsberater trifft der Heimwerker nur auf eine industriell vorgefertigte Angebotspalette, vom Kunststoffenster bis zur Alutür.

Um für das Bremer Stadtbild und einen Denkmalschutz mit sozialer Komponente zu werben und in der Öffentlichkeit auf eine Gestaltungs- und Erhaltungssatzung hinzuarbeiten, hat sich (nach dem Abriß des Senatsgäste hauses) die überparteiliche „Bürgerinitiative Bremer Stadtbild“ gebildet. Deren Sprecher Carsten Meyer (sonst in Planungswerk und Projekt Wohnumwelt engagiert) und Mitglied Holger Maraun (Kulturwissenschaftsstudent im letzten Semester und seit 15 Jahren in der Bürgerinitiative Bauernhaus aktiv) äußern sich zu Denkmalschutz und Stadtbildpflege in Bremen:

taz: Wie will die Bürgerinitiative das Bremer Stadtbild beeinflussen?

Carsten Meyer: Wir haben uns zwei grundsätzliche Stoßrichtungen vorgenommen: Zum einen so etwas wie Patenschaften: Sich kümmern um bestimmte Objekte, und zwar verteilt übers ganze Stadtgebiet, um nicht nur eine Schwachhauser Initiative zu sein und um zu dokumentieren, daß wir z.B. auch Arbeiterwohnungsbau in den Stadtteilen interessant finden. Und dabei wollen wir natürlich mit den regionalen Initiativen zusammenarbeiten.

Neben dieser objektbezogenen Herangehensweise wollen wir uns um die grundsätzliche Fragestellung bemühen, wie eigentlich mit Denkmal- und Stadtbildpflege in Bremen überhaupt umgegangen werden soll, wie man u.U. den Denkmalpfleger unterstützt, in seinen Forderungen, Geld und Personal zu bekommen.

Holger Maraun:Das Denkmal schutzamt ist ja seitdem es besteht nie auf die erforderliche Mitarbeiterzahl gekommen. Die Stellen dort müßten eigentlich verdoppelt werden. Hinzukommt, daß vom Denkmalamt selber versäumt wurde, durch ABM-Kräfte die Topographien weiterzuführen und fertigzustellen. Da hätte vom Denkmalschutzamt mehr kommen müssen, weil es allein diese vielen Unterschutzstellungen schon vom Verfahren her gar nicht schaffen kann. Das Amt hätte an die Öffentlickeit gehen müssen, aber es fehlte bisher ja

auch prinzipiell an Öffentlich keitsarbeit. Manchmal hat man allerdings auch das Gefühl, daß diese Behörde gar nicht mit der Öffentlichkeit diskutieren will. Aber wenn man Denkmalpflege erfolgreich betreiben will, dann muß man die Öffentlichkeit dafür gewinnen.

Carsten Meyer:Die Auseinandersetzung mit der Denkmalpflege bedeutet auch, die Kriterien der Unterschutzstellung zu durchleuchten: Die Diskrepanz zwischen bürgerlichen Vierteln und Arbeiterwohnquartieren, wo der Landesdenkmalpfleger Dr. Hoffmann ganz explizit sagt, daß der Schwerpunkt im Bremer Osten sei und bevor jetzt bestimmter Arbeiterwohnungsbau wie z.B. im Kirchweg unter Schutz gestellt würde, käme erstmal die Braunschweiger Straße an die Reihe. Aber genau diese Bremer Häuser werden von ihren Bewohnern wunderbar gepflegt: Da wird nicht modernisiert, da gibt es eine hervorragende nachbarschaftliche Infrastruktur, die Leute dort haben eine Müllrecyclinginitiative ins Leben gerufen usw. Darüber bräuchte man sich also eigentlich keine Gedanken zu machen. Man müßte vielmehr das unter Schutz stellen, was gefährdet ist.

Holger Maraun: Die Denkmalpflege müßte eigentlich vorbeugend tätig werden. Das Problem sind in erster Linie die Villen, Landhäuser und Bauernhäuser, weil die auf sehr großen Grundstücken stehen, das Grundstück nur

schwach ausgenutzt ist und sich da natürlich mit Gier die Baugesellschaften drauf stürzen. Da hat das Denkmalamt versäumt, diese Objekte konsequent unter Schutz zu stellen. Wenn man bedenkt, daß vor allem die Landhäuser und Villen von Bremer Künstlern und Architekten erbaut wurden, dann ist das ein wichtiger Kritikpunkt an der jetzigen Denkmalpflege. Und in Gröpelingen müßte wirklich der Arbeiterwohnungsbau stark geschützt werden, zumal sich dort Bremer Architekten stark engagiert haben. Bremen war am Anfang des Jahrhunderts ja auch in der Werkbund- und Heimatschutzbewegung und spielte in dieser Kulturepoche eine sehr starke Vorreiterrolle.

Können Sie Beispiele nennen?

Holger Maraun:Eine sehr bedeutende Siedlung ist z.B. die in der Hüttenstraße vom Architekten Hugo Wagner. In Gröpelingen sind etliche Straßenzüge als schutzwürdig in der Denkmaltopographie aufgeführt, die aber nicht in die eigentliche Denkmalliste eingetragen wurden. Das müßte dringend passieren.

Welcher Unterschied besteht zwischen Denkmalliste und Denkmaltopographie?

Carsten Meyer: Von der Kultusministerkonferenz gibt es einen Beschluß, bundesweit Städte und ländliche Gemeinden zu begehen und flächendeckend aufzunehmen, welche Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden sollten. „Topographie“ macht auch die räumliche Festlegung

klar. Es gibt verschiedene Kriterien, in denen es auch Abstufungen nach Einzel(Objekt)schutz, bzw. Ensembleschutz gibt. Für Bremen hat das Kurt Lammek im Rahmen einer ABM erst für drei Stadtteile (Gröpelingen, Osterholz und Oberneuland) gemacht. Die Bremer Denkmaltopographie gehört zwar zu den besseren, nur leider wird sie nicht umgesetzt.

Carsten Meyer: Wir vom Projekt Wohnumwelt Bremen nennen uns auch deshalb so, weil wir ganz bewußt versuchen, den Begriff Umwelt auch auf den direkten Wohnbereich zu beziehen, und zwar nicht nur auf die natürliche, sondern auch auf die kulturell geschaffene also bebaute Umwelt. Dazu gehören nicht nur Häuser, sondern auch der Straßenraum und wie man damit umgeht. Und dieser erweiterte Umweltbegriff ist auch Teil der Bürgerinitiative. Deshalb auch kann man nicht einfach ein Haus aus einem Straßenzug wegsanieren, mal abgesehen vom Zerreißen von Nachbarschaften. Und wenn erstmal ein Haus verschwindet, wie in der Parkstraße oder mit dem Lindemann-Haus im alten Ortskern von Lesum, wenn da erstmal glatte Betonquader drinstehen - welche Ensemble, welche Altstadtkerne will man dann noch erhalten?

Holger Maraun:In Bremen geht es sowie so nur noch um Häuser der 2. Kategorie. Viele Zeugnisse der Kulturgeschichte sind schon beseitigt.

(Gespräch: Birgitt Rambalski)

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