: Titelaspirant Dieter Klink
■ Bürgerschaftspräsident gewinnt Ringschlachten völkerverständigende Qualität ab
Im Gästebuch einer Grazer Altstadtkneipe, die sich auf die Gestellung von Kasnocken, gesulzten Spanferkelsbrüsten und Sterztommeltorten mit Erfolg spezialisiert hat, steht seit drei Tagen ein Satz, der in die Geschichte der deutsch -österreichischen Freundschaft völkerverbindend eingehen wird: „Wir danken der Stadt Graz für die Gastfreundschaft. Diese enge Verbindung zwischen Bremen und Graz wird begründet durch ihren großartigen Sportler Otto Wanz“, gezeichnet „Dieter Klink, Präsident der bremischen Bürgerschaft“. Das mußte einmal gesagt werden, besser sozusagen urkundlich fixiert werden - und zwar beides: erstens, daß die europäische Einigung solange keine ist, als sie nicht auch die Verständigung im Catchring einschließt und zweitens, daß Dieter Klink der Präsident der bremischen Bürgerschaft ist. In einem Land, das noch den Titel eines vortragenden Hofrats
kennt, und in der die Führung einer Bremer Journalistendelegation noch mit der Ernennung zum Hofrat für Kulturangelegenheiten koinzidieren kann, sind den Titelphantasien keine Grenzen gesetzt. Sobald einer mit einem kleinen Staatsgeschenketütensortiment anreist und Stadtmusikanten in Glas oder Kaffeelöffel mit Rolandmotiven oder auch umgekehrt verteilt. Was mußte Klink sich nicht alles anhören und mit liebenswürdiger Diskretion richtigstellen: Mal wurde er von einem vor Ehre trunkenen steierischen Buschenschenkwirt zum Herrn Ministerpräsidenten ernannt, mal vom Präsidenten des ortsansässigen Spielkasinos als Landespräsident begrüßt, mal zum Senatorenvorsteher degradiert. Klink nahm es mit der gelassenen Würde des Staatsmanns, dem Titel Schall und Rauch sind, sofern sie nicht mit der Ehre eines Catchweltmeistergürtels verbunden sind, und in der Überzeu
gung, daß kleine Geschenke („Hier müßte jetzt ein Löffel drinsein“) die Völkerfreundschaft wirksamer erhalten als kleinlicher Titelstreit.
So wahr der Satz aus der Feder des Bremer Staatsoberhauptes im Gästebuch eines steierischen Jau
senwirtes ist: Wir müssen ihn ergänzen um den Nachsatz „und durch den Präsidenten der Bürgerschaft und Landratsvorstands - und Ministerpräsidenten Dr. Dieter Klink“. Nur Catchweltmeister ist er noch nicht, da sei Otto vor.
Klaus Schloesser
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
