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Ölembargo gegen Litauen beendet

■ Litauisches Parlament setzt Unabhängigkeitserklärung für 100 Tage aus / Bush lobt Entwicklung

Wilna (ap/afp) - Die sowjetische Regierung hat am Samstag das gegen Litauen verhängte Ölembargo beendet. Ministerpräsidentin Kazimiera Prunskiene erklärte, sie rechne damit, daß in etwa zwei Wochen Vorverhandlungen mit der sowjetischen Regierung über die Frage der Unabhängigkeit Litauens beginnen könnten. Ministerpräsident Nikolai Ryschkow hatte sie persönlich über die Wiederaufnahme der Lieferungen informiert. Eine Sprecherin der Raffinerie in Mazeikiai bestätigte, daß das Öl wieder fließe. In dieser Raffinerie wird fast das gesamte für Litauen bestimmte Öl verarbeitet.

Der Oberste Rat Litauens hatte am Freitag mit 69 gegen 35 Stimmen bei zwei Enthaltungen beschlossen, die am 11. März erfolgte Unabhängigkeitserklärung bei Beginn von Verhandlungen mit Moskau für die Dauer von 100 Tagen außer Kraft zu setzen. Damit hatte das Parlament in Vilnius die von Gorbatschow gestellte Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen und die Beendigung des Embargos erfüllt. In der Entschließung heißt es, das Moratorium könne vom Obersten Rat verlängert oder beendet werden. Es werde automatisch hinfällig, falls das Parlament funktionsunfähig werden sollte.

Vorangegangen waren zwei Unterredungen des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow mit dem litauischen Präsidenten Vytautas Landsbergis. Dieser hatte am Freitag vor der Abstimmung seine bisherige ablehnende Haltung gegenüber einem Aussetzen der Unabhängigkeitserklärung aufgegeben und sich dem später gebilligten Kompromißvorschlag Prunskienes angeschlossen.

Eine für Samstag geplante Sitzung des Baltischen Rates mußte abgesagt werden. Wie ein Vertreter der litauischen Regierung mitteilte, war die Frau des lettischen Präsidenten schwer erkrankt, Gorbunovs konnte deshalb nicht nach Tallinn reisen. Der litauische Präsident und die Ministerpräsidentin waren am Freitag abend sofort nach der Abstimmung über das Moratorium in die estnische Hauptstadt gereist, wo der Baltische Rat, eine Art Konsultativ-Rat der führenden Politiker aus den drei Baltenrepubliken, tagen sollte.

Sowohl US-Präsident Bush als auch die französische Regierung würdigten die Entwicklungen in Litauen als positiv.

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