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Westdeutsche Sprachprobleme

■ Wie sollen die „Wessies“ jetzt die „Ostzone“ nennen?

QUERSPALTE

Wie nennen wir Deutsche im ehemals exklusiven „freien Teil“ unseres wirtschafts- und währungsunionierten Landes jetzt das Stück Erde zwischen Harz und Neiße, zwischen Rügen und der Grenze zur Tschechoslowakei? Ostdeutschland? Das klingt irgendwie antiquiert nach kaltem Krieg und „Care„-Paketen. „Mitteldeutschland“? Das ist die Diktion der Revanchisten und Berufsschlesier um Hupka und Konsorten, eine Provokation unserer polnischen Nachbarn - und deshalb eine Wortschöpfung, die aus dem deutschen Sprachschatz verbannt werden muß.

Ehemalige DDR? Auch das wird den Menschen in dem Teil unserer neuen Republik nicht gerecht, die sich nichts sehnlicher wünschten, als sich von diesen drei Buchstaben zu verabschieden. Was sagen wir Westdeutschen also, wenn wir von diesem 107.431 Quadaratkilometern großen Stück Erde sprechen müssen, auf dem es - trotz anstehender Komplettvereinigung - noch über Jahre hinweg anders aussehen und zugehen wird, als im großen Rest der neuen Republik? Nur dem überzeugten Republikaner und Föderalisten bietet sich hier ein gangbarer Ausweg aus dem Dickicht sprachlicher Irrungen und Wirrungen an: Die neue föderative Republik wird nämlich nicht aus zwei Teilen zusammengesetzt sein, sondern aus dann insgesamt 15 Bundesländern bestehen.

Und da die Länder Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen keine Sondereinheit in der Einheit bilden dürfen, verbieten sich Sonderbezeichnungen ohnehin. Ereignisse etwa in der Stadt Weimar finden dann in Thüringen statt, so wie sich Ereignisse in Wiesbaden in Hessen abspielen. Aber wo liegt eigentlich das Bundesland Thüringen? Etwa in Ostdeutschland?

Klaus-Peter Klingelschmitt

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