: Auch Wünsche verläßt seine Partei
Berlin (afp/taz) - Bald sitzen nur noch parteilose Minister in der Regierung der DDR: Mit dem Austritt des umstrittenen Justizministers Kurt Wünsche aus dem Bund Freier Demokraten (BFD) hat innerhalb von vier Tagen der dritte Minister seine Partei verlassen. Von einem Rücktritt als Minister war zunächst nicht die Rede. Zuvor hatte Wünsche einen solchen Schritt nicht mehr ausgeschlossen. In einem Interview mit der 'Jungen Welt‘ erklärte er, er habe die Unterstützung des Ministerpräsidenten. Eine Entscheidung über seinen Rücktritt behalte er sich aber vor, „wenn die Angriffe aufrechterhalten werden“.
Wünsche kehrte seiner Partei offenbar auf Druck aus Bonn hin den Rücken, denn er erklärte seinen Schritt mit dem programmatischen, organisatorischen und personellen Diktat der bundesdeutschen FDP, dem sich die Mehrheit der BFD -Führung beuge. Er sehe unter diesen Umständen keine Möglichkeit, den Auftrag des Dresdner Sonderparteitags zu erfüllen, auf dem er im Februar zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt worden war. In Dresden hatten sich die Delegierten darauf verständigt, die Vereinigung der drei liberalen Parteien bei Wahrung von „Würde, Toleranz und Eigenständigkeit“ zu vollziehen.
Entsprechend sprach die bundesdeutsche FDP von einer „großen Erleichterung für den Zusammenschluß zwischen den Liberalen aus Ost und West“. Wünsche sei für den Erneuerungsprozeß der Partei eine „große Belastung“ gewesen, erklärte die FDP-Generalsekretärin Cornelia Schmalz-Jacobsen in Bonn. Zu sehr sei mit seiner Person das alte Denken und die Last der Vergangeheit präsent gewesen.
Wünsche ist wegen seiner Vergangenheit als Justizminister des SED-Regimes unter Beschuß geraten. Der 60jährige Minister leitete das Justizressort bereits von 1965 bis 1972 und hatte damals entscheidenden Anteil an der Ausarbeitung der DDR-Verfassung. Seine gesamte parteipolitische Karriere machte er in der Blockpartei LDPD, der er 1946 beitrat und die Anfang dieses Jahres im Bund Freier Demokraten aufging.
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