CDU-Chef Diepgen will wieder siegen

■ CDU-Landesvorstand nominierte Eberhard Diepgen im Hauruck-Verfahren zum Spitzenkandidaten der Gesamtberliner CDU / Gerangel um die Bundestagswahl: Lummer als Direktkandidat durchgefallen

Berlin. Der Spitzenkandidat der vereinten Berliner CDU heißt Eberhard Diepgen und ist entschlossen, die Regierung nach den Gesamtberliner Wahlen zu übernehmen. Das erklärte der Oppositionschef gestern selbstbewußt, nachdem am Dienstag zum ersten Mal die CDU-Landesvorstände aus beiden Teilen der Stadt gemeinsam getagt hatten.

Auf der Sitzung ist Diepgen schriftlich beauftragt worden, eine Regierungsmannschaft zusammenzustellen Zwar ist in dem Antrag vom „Spitzenkandidaten“ nicht die Rede, aber die CDU wolle, daß er als Regierender Bürgermeister von Gesamtberlin die Geschäfte übernehme. „Wir setzen auf Sieg, nicht auf Platz“, so der künftige CDU-Spitzenkandidat gestern. Eine offizielle Nominierung sei nicht mehr erforderlich, erläuterte Diepgen dieses demokratische Nominierungsverfahren, das offensichtlich ohne jede Rücksprache mit der Parteibasis als abgeschlossen gilt. Damit kürt die CDU ihren Spitzenkandidaten nicht erst auf dem Vereinigungsparteitag, wie die Sozialdemokraten, sondern hat jede Personaldiskussion im Keim erstickt.

Auf der Sitzung wurde nicht nur Diepgen zum Spitzenkandidaten gekürt, sondern auch ein Modell des Zusammenwachsens für die beiden Unionsparteien entwickelt. Der Vereinigungsparteitag von Ost- und Westberliner CDU soll am 8. September stattfinden, also vor der Vereinigung der landesweiten CDU und auch vor den Berliner Sozialdemokraten. Auf dem Parteitag soll nach den Worten Diepgens kein neuer Parteivorstand gewählt, sondern Vertreter aus dem Osten dazugewählt werden - auf der Grundlage der Westberliner Satzung. Der derzeit zehnköpfige Parteivorstand soll damit um fünf Mitglieder aus dem Osten angereichert werden. Dieses Modell sei auf Wunsch der Ostberliner ausgesucht worden, so Diepgen, die damit eine numerisch gesicherte Repräsentanz erhielten.

Morgen tritt die Westberliner CDU zum letzten Mal allein zu einem Parteitag zusammen, um ihre Liste für die Bundestagswahlen festzuklopfen. Im Hintergrund der Nominierungen stehen allerdings heftige innerparteiliche Kämpfe, denn die Prominenz rangelt sich um die besten Plätze. Setzt man ein ähnliches Wahlergebnis voraus wie bei den letzten Abgeordnetenhauswahlen 1989, kann die CDU höchstens sechs Mandate erkämpfen. West-Berlin stehen insgesamt 16 Mandate zu, sechs kommen nach der Berliner Verfassung aus dem Jahre 1948 noch aus Ost-Berlin dazu.

Die Direktkandidaten stehen mittlerweile fest: Von den acht Direktmandaten haben sich allein fünf die Platzhirschen der Partei geangelt, die jetzt bereits im Bundestag sitzen (Wilmersdorf/Charlottenburg: Dietrich Mahlo; Tiergarten/Wedding: Christian Neuling; Zehlendorf: Gero Pfennig; Schöneberg/Kreuzberg: Jochen Feilcke und Spandau: Peter Kittelmann). Dazu kommen Reinickendorf mit Gabriele Wiechatzek, Neukölln mit Dankward Buwitt und Tempelhof mit Rupert Scholz.

Glatt durchgefallen ist bei der Kandidatenkür Rechtsaußen Heinrich Lummer, der nun über einen guten Listenplatz versorgt werden muß. Eigenen Äußerungen zufolge möchte auch Parlamentspräsident Jürgen Wohlrabe gern in den Bundestag. Im Rathaus Schöneberg wird darüber gemunkelt, daß Wohlrabe das Gesetz zur Auflösung der Akademie der Wissenschaften nur deswegen nicht unterzeichnet, um seinen Parteichef Eberhard Diepgen unter Druck zu setzen und so einen guten Platz zu erhalten.

Kordula Doerfler