Baustellen, Kassenhallen: Labyrinthe mit Verköstigung

■ Vores "Baustelle, Labyrinthisch", Andrea Künzels "Lebenswelten", Haidelis Jacob-Khlänes Scherenschnitte

Baustellen, Kassenhallen: Labyrinthe mit Verköstigung

Vores „Baustelle, Labyrinthisch“, Andrea Künzels „Lebenswelten“, Haidelis Jacob-Kahlänes Scherenschnitte

Am liebsten von aller Kunst hab ich die Sorte, die uns mit Psst! und Heimlichkeit aus der Irre führt, und immer auf dem längsten aller Wege. Drei Labyrinthe sind derzeit in Bremens Kunst-Welt aufgestellt: eins zum Fertigbauen, ein trauriges aus lauter gutem Willen, ein zynisches aus Geld und Aquarell.

Das Gerhard-Marcks-Haus ist eine Baustelle. Erstens, weil es umgebaut wird, zweitens, weil es nach Ansicht der Kunst der Welt auch nicht besser ergeht. Die halbe Baustelle ist falsch, eine begehbare Deutungsfalle, inszeniert von dem Künstler Vore. Mehrere Räume locken zum feierlichen Begängnis der Unfertigkeit. Verstreut liegen Skulpturen, zersägt, zerhauen, angefangen. Runde hominide Formen, sandsteinerne Menschentrümmer, ausgesetzt wie Findlinge der Kunst. Dazwischen überkreuz montierte Gerüste; rotweiße Absperrbänder weisen Wege, vorbei an einem verwitterten Mörteltrog, über rostige Stahlplatten. Schräg steht ein Hubwagen. Die Dinge sind verlassen. Eine fremde, verwinkelte Landschaft aus Arbeit. Stapel aus Steinen; überall raunen verborgene Pläne, halb ausgeführt, unbekannt; an der Wand hängen noch erdenbraune Skizzen. So ist, was herumliegt, zur Aufgabe verschlüsselt und bittet um Lösung. Und wir Goldmariechen begehen noch und noch den Ort und können gar nix machen.

Bis 27.7., Gerhard-Marcks-Haus, tgl. außer Mo., 15-18h

Zick-links und zack-rechts muß man in der Angestelltenkammer um die Fotografien von Andrea Künzel herum. Die Stellwände geben sich labyrinthisch, auf den Bildern sehen wir Lebenswelten. Die Bremer Nebenbei-Fotografin Künzel zeigt öffentliche Räume, Einkaufszentren, Passagen als Schwarze Löcher der Kommunikation. Wunderlich nehmen sich dort die Passanten aus, sobald sie in Schwarzweiß auf dem Fotopapier erstarren. Wie Irritationen inmitten lauthals plärrender Kulisse, wie Zeichen, die der Behauptung Leben! noch schwach widersprechen. Frau Künzel liebt es, Einkaufswagen reihenweise ins Leere zu fluchten und hermetische Hochhausfronten so ins Format zu keilen, daß der Blick ungefedert dagegenprallt; sie liebt das Verdeutlichen, und so hängen neben wunderbaren Bildern auch solche, die man im Sozialkundebuch immer überblättert, weil sie mit eingeschnapptem Blick gemacht sind.

Bis 20.7., Angestelltenkammer

Die stumpfprunkige Kassenhalle der Sparkasse Am Brill sieht ja aus wie ganz aus Geld. Als hätte sich, nach jahrhundertelanger Zirkulation von flüssigem Kapital, eine helle, mächtige Tropfscheinhöhle ausgewaschen. Kunst wirkt darin immer ein bißchen schwächlich, sofern man sie zwischen all dem Geld auffindet, die von Haidelis Jacob-Kahläne aber ganz besonders. Frau Kahläne lebt in Syke und ist eine sanftmütige Seele. Scherenschnitte macht sie, die wie überwachsen sind von rein pflanzlichem Zierat, sauber gedreht alles und gezupft. Arabesken winden und verzweigen sich, immer feiner, am Ende in reine Metaphysik.Und erst die Aquarelle. Da hat die Gärtnerin ihre Lieblingsfarben blühen lassen, ein wenig gewässert und gejätet, und nun hängen da entzückende Beete an den Säulen, von denen wir ungetrübten Frohsinn pflücken. Gut, daß es Leute gibt, die so streng vegetarisch malen. So hat man zur Not auch Bilder, die hinsichtlich jeder bekannten Diätvorschrift ganz unbedenklich sind.

bis 20.7., Kassenhalle Am Brill Manfred Dworscha