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Zum „Langen Jammer“ gleich drei Linien?

■ Westberliner Verkehrsinitiativen wollen zehn Trambahnlinien nach West-Berlin verlängern / Verkehrssenator Wagner hat plötzliche Bedenken gegen Straßenbahnpläne von BVB und BVG in der Invalidenstraße und Warschauer Straße

Berlin. Ein neues, modernes Straßenbahnnetz in West-Berlin, die Umwandlung der Ostberliner Straßenbahn in ein modernes System westlichen Standards sowie die Zurücknahme aller Streckenstillegungspläne im Ostteil der Stadt haben gestern die Sprecher der Bürgerinitiative Westtangente und des öklogisch orientierten Verkehrsklubs VCD gefordert. Um dem Verkehrskollaps zu entgehen, müßten besonders im Stadtbezirk Mitte attraktive Straßenbahnangebote existieren, erklärte der Vertreter der BI Westtangente, Norbert Rheinländer. Seltsamerweise, so Rheinländer, begründeten Magistrat und BVB Stillegungspläne für die Friedrichstraße als auch in der Schönhauser Allee und Pankow jedoch mit Überlegungen zur Verkehrsberuhigung.

In einem gestern vorgelegten gemeinsamen Konzept regten die Verkehrsinitiativen bis 1994 die Verlängerung von insgesamt zehn Ostberliner Straßenbahnlinien nach West-Berlin an. Für die Strecken in der Gesamtlänge von knapp 36 Kilometern veranschlagten sie Baukosten von zusammen 183 Millionen Mark. Nach den Vorstellungen könnte zu Lasten des U -Bahnweiterbaus das Märkische Viertel gleich von zwei oder drei Trambahnlinien „flächenhaft“ erschlossen werden. Wie es hieß, betrügen die Investitionskosten zur Vollerschließung des Märkischen Viertels mit drei jeweils drei Kilometer langen Linien nur ein Fünftel der 400 Millionen Mark, die die U-Bahn mit 2,3 Kilometern Länge kosten würde. Dabei sei die U-Bahn wegen der relativ großen Bahnhofsabstände ohnehin nur als „Teilerschließungssystem“ der Trabantenstadt zu betrachten.

Demgegenüber schloß sich der Regionalausschuß unlängst der Empfehlung von BVG und BVB an, von 1993 bis 1996 zunächst nur drei Ost-berliner Straßenbahnstrecken nach West-Berlin zu verlängern. In einer für den Ausschuß gefertigten Vorstudie schlugen die Planer der Verkehrsbetriebe zur Verlängerung die Abschnitte Bornholmer bis Osloer Straße, Bernauer Straße bis Lehrter Stadtbahnhof und Warschauer Straße bis Oberbaumbrücke vor. Die errechnete Summe für den Ausbau der drei Linien: 30 Millionen Mark.

Ob es die Straßenbahnverlängerungsabschnitte Bernauer Straße/Lehrter Stadtbahnhof über die Invalidenstraße und von der Warschauer Straße über die Oberbaumbrücke jedoch geben wird, erscheint wieder mehr als fraglich. Westberlins Verkehrssenator Wagner ist nach Auskunft seines Sprechers Keiluweit der Meinung, die Straßenbahn dürfe nicht die Heidestraße als „einzige leistungsfähige Autoverbindung in Nord-Süd-Richtung“ kreuzen.

Beruhigende Worte kommen aus Ost-Berlin. „Wir werden auf keinen Fall Straßenbahnen zugunsten des Individualverkehrs rückbauen“, betonte der Abteilungsleiter Verkehrsplanung beim Magistrat, Dr. Lenken. „Die Straßenbahn hat in Richtung Bahnhof Friedrichstraße wichtige Verkehrsaufgaben zu erfüllen.“

thok

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