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Pleite gehen will gelernt sein

■ Die PGH Bäcker- und Konditorhandwerk Böhlen-Rötha-Espenhain machte Pleite / Justiz müht sich redlich, hat aber kaum Ahnung von Konkursverfahren / Die ehemaligen Mitarbeiter suchen Arbeit

Leipzig (taz) - Die erste Produktionsgenossenschaft des Handwerks im Leipziger Raum ist pleite. Schuld daran tragen nicht die neuen Verhältnisse, sie haben das Ende höchstens beschleunigt, wie Buchhalterin Gudrun Funke erzählt, die die Auflösung der PGH Bäcker- und Konditorhandwerk Böhlen-Rötha -Espenhain betreiben muß.

Die Genossenschaft steckt seit Jahren in Schulden. Durch das niedrige Lohnniveau liefen ihr die qualifizierten Bäcker weg. Im Vorjahr versuchte dann ein neuer Vorsitzender durch entschiedene Lohnerhöhungen ein neues Konzept. Aber die niedrige Produktivität trieb die Genossenschaft noch schneller in den Konkurs.

Der letzte Versuch des Chefs, durch Personalabbau wieder liquid zu werden, endete mit der Abwahl. Dadurch hatte aber auch der Rest der rund 30 Beschäftigten seine Chance verloren. Die Bank gewährte keinen Kredit mehr. Die Justiziarin der Kreishandwerkskammer Borna empfahl den Gang zum Gericht, fügte aber hinzu: „Wenn die Sache angenommen wird, haben sie Glück.“ Rechtlichkeit scheint in der zu Ende gehenden DDR ein weites Feld zu sein.

Frau Funke meldete also ein Konkursverfahren an. Weil aber die rechtlichen Regeln dafür aus dem vorigen Jahrhundert stammen, entschied man sich für ein Gesamtvollstreckungsverfahren. Die bearbeitende Kollegin hat in den 25 Jahren ihrer Berufserfahrung beim Gericht einen solchen Fall noch nicht bearbeitet. Entsprechend lange dauert alles. Einige Kollegen sind inzwischen wieder in Lohn und Brot, die meisten müssen aber mit den 70 Prozent des Nettolohns auskommen, die ihnen das Arbeitsamt zahlt. Offensichtlich gelten jetzt andere Maßstäbe; so fanden zwei Kolleginnen ein Auskommen in der Essenausgabe der Schule zu einem Salär, das sie in der Genossenschaft als unzumutbar abgelehnt hätten.

Wie sieht man als Konkursverwalter auf Zeit die eigenen Zukunftsperspektive, zumal als Mutter von zwei Kindern (11 und 7 Jahre)? „Nicht so pessimistisch wie andere“, meint Frau Funke. „Zwar hat mein Mann als Ingenieur im Chemiewerk vielleicht auch keinen ganz bombensicheren Job, aber ich denke doch, Finanzer wird man künftig eher mehr als weniger brauchen. Vielleicht muß ich nach Borna oder Leipzig gehen, vielleicht auch umschulen. Aber es wird schon klappen.“

Freilich erzählt sie auch, wie sie versucht, den Kindern klarzumachen, warum die Eltern auf manches bunte Angebot beispielsweise für Zeitschriften-Abos - nicht eingehen können.

Gespenstisch sieht's aus im Erdgeschoß des Mietshauses Bahnhofstraße 16 in Böhlen, wo der große Laden verwaist ist, wo Türen zu kalten Backöfen offenstehen, leere Teigschüsseln und ruhende Backmaschinen umherstehen.

Die Besitzer des Hauses haben sich noch nicht entschieden, wem sie die Gewerberäume künftig vermieten wollen. Eine Bäckerei soll's auf keinen Fall wieder sein. Verschiedene Bewerber aus der Bundesrepublik sollen sich bereits gemeldet haben. Gute Aussichten für alle, die dann dabei sind.

Thomas Biskupek

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