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Trompete für den Zöllner

■ Zollbeamte nahmen rumänischen Gästen Musikinstrumente ab / Gottesdienst der evangelischen „Gemeinde Gottes Berlin“ geplatzt

Kreuzberg. Der „herzliche“ Empfang, der vor allem ausländischen Gästen aus Osteuropa in unserer künftigen „multikulturellen Metropole und Drehscheibe zwischen Ost und West“ gewiß ist, brachte jetzt sogar einen Angehörigen der gemeinhin eher friedfertigen Menschen in Harnisch: Der Pfarrer der evangelischen Freikirche „Gemeinde Gottes Berlin“, Johannes Matutis, hatte eine elfköpfige rumänische Musikgruppe eingeladen, die vergangenen Sonntag den Gottesdienst seiner aus über hundert Rumänen bestehenden Gemeinde musikalisch gestalten sollte. Doch dazu kam es nicht: Zollbeamte stoppten einen Teil der Gruppe am Anhalter Bahnhof und nahmen ihnen ohne Erklärung oder auch nur eine Empfangsbescheinigung sämtliche Instrumente ab. Aufgrund mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache konnten die rumänischen Gäste nur mit Mühe nachvollziehen, was da geschah - die hämischen Gesten der Zollbeamten waren laut Matutis dagegen eindeutig: Einer der Beamten habe sich die Trompete an den Mund gesetzt, um die Qualität des Instruments zu testen, unter Gelächter behielten die Zöllner neben Gitarre, Geigen, Trompete und Akkordeon auch den persönlichen Proviant für die Rückreise ein. Nur Rückfahrkarte, Geld und Papiere - einschließlich der persönlichen Einladung des Pfarrers - erhielten sie zurück.

Dreimal haben Mitarbeiter der Gemeinde seitdem nach Angaben des Pfarrers bei der zuständigen Zollbehörde Süd bereits vorgesprochen. Auskunft über den Verbleib der Instrumente sowie über die verantwortlichen Zollbeamten erhielten sie jedoch nicht. Die Musik- und Gesangsgruppe aus Bukarest mußte unverrichteter Dinge wieder in ihre Heimat zurückkehren - ohne Instrumente können sie dort jedoch nicht auftreten. Allein deren materieller Wert liegt bei knapp 10.000 D-Mark - für diese für sie lebensnotwendigen Kostbarkeiten hatten die Künstler meist jahrelang gespart.

Es besteht nun die Befürchtung, daß die Beamten ihren Fang untereinander aufgeteilt haben - und die Instrumente somit unwiederbringlich verschwunden sind. Pfarrer Matutis will jedoch dafür Sorge tragen, daß sie wieder auftauchen oder doch zumindest Schadenersatz geleistet wird: „Wir können diese Schande nicht auf uns ruhen lassen!“ Sollte sich die Zollbehörde auch in den nächsten drei Tagen nicht rühren, wird die Gemeinde gegen die eingesetzten Beamten Strafanzeige stellen.

maz

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