: Bekommt der Nachbar den Garten?
■ Neuer Krach in der Koalition: Umweltsenatorin Schreyer protestiert heftig gegen den Plan von Magistrat und West-SPD, die Bundesgartenschau nach Ost-Berlin zu verlagern / Wuhletal zwischen Hellersdorf und Marzahn statt zentralem Bereich
Berlin. Der Mörder ist plötzlich ein Gärtner: Ein Streit um den Standort der für 1995 geplanten Bundesgartenschau bringt die rot-grüne Koalition in West-Berlin erneut ins Wanken. Der Magistrat und die SPD-Spitze des Senats denken mittlerweile ernsthaft daran, die Buga nicht im Zentralen Bereich zwischen dem Moabiter Werder im Norden und dem Schöneberger Südgelände im Süden anzulegen, sondern in der Ostberliner Wuhlheide zwischen den Neubaubezirken Marzahn und Hellersdorf. Bausenator Nagel (SPD) propagiert die Buga -Verlegung seit Monaten; jetzt will der Magistrat das Vorhaben vorantreiben. Am Dienstag werde sich die Ostberliner Stadtregierung mit dem Thema befassen, sagte Stadtentwicklungsstadtrat Clemens Thurmann (SPD) gestern zur taz. Eine Woche später soll die Buga-Frage dann auf die Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung von Magistrat und Senat.
Erbitterten Widerstand kündigen die AL und die von ihr gestellte Umweltsenatorin Michaele Schreyer an. „Unter keinen Umständen“ würde die AL die Verlegung akzeptieren, erklärte der Abgeordnete Hartwig Berger am Samstag. Eine Verlagerung der Buga in die Wuhlheide sei „unerträglich und unannehmbar“, bekräftigte gestern die Schreyer-Referentin Beate Profe. „Dann sehe ich nichts mehr“, ergänzte Profe mit Blick auf die Zukunft der Koalition. Die dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper unterstehende Westberliner Senatskanzlei hatte bereits am Donnerstag bei Buga -Geschäftsführer Hendrik Gottfriedsen angefragt, was ein Ausstieg aus der jetzigen Planung kosten würde. Antwort: Die Arbeit von anderthalb Jahre und 11,5 Millionen DM Planungskosten wären perdu, außerdem würde eine Vertragsstrafe von 1,5 Millionen fällig werden.
Für Gottfriedsen und seine Chefin Schreyer sprechen eine Reihe weiterer, gewichtiger Gründe für eine Buga am bisher vorgesehenen Standort. Marzahn und Hellersdorf seien jetzt schon weitaus besser mit Grünflächen ausgestattet als Schöneberg, Tiergarten, Kreuzberg und der Bezirk Mitte. Wenn die Buga hier ausfalle, so die Befürchtung von Profe, würden diese Innenstadtbereiche bebaut und „dicht gemacht“. Die Gartenschau komme hier, so Schreyer am Freitag, „auf den rechten Ort und zur rechten Zeit“. Grün im Stadtzentrum wirke nicht trennend, wie Thurmann meine, sondern verbinde die Menschen. Die Menschen begegneten sich eher in öffentlichen Grünanlagen als in einem nichtöffentlichen Daimler-Benz-Bau.
Die Umweltsenatorin will jetzt ebenfalls die Osthälfte der Stadt miteinbeziehen, allerdings mit innerstädtischen Parkanlagen. So soll der Pankegrünzug entlang des Spandauer Schiffahrtskanals bis zum Schiffbauerdamm verlängert werden; außerdem plant Schreyer eine Begrünung der ehemaligen Ministergärten zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz, sowie einer Erweiterung der sogenannten „Buga-Route“ nach Treptow. Summa summarum seien das 20 Hektar neues Stadtgrün, für die zusätzlich zu den bisher eingeplanten 191 Millionen Mark weitere 30 bis 50 Millionen aufgewendet werden müßten, rechnet Gottfriedsen vor.
„Man sollte nicht versuchen, die City als Park zu gestalten“, hält Thurmann dagegen. Für ihn ist das von Schreyer verteidigte, im Oktober 1989 verabschiedete Senatskonzept heute eindeutig „überprüfungsnotwendig“. Seit 1976 seien in Marzahn und Hellersdorf beiderseits des Wuhletals etwa 300.000 Menschen angesiedelt worden. Schon lange - bisher jedoch vergeblich - verfolge die Ostberliner Stadtplanung das Ziel, hier ein Naherholungsgebiet zu schaffen. Das für die Gartenschau vorgeschlagene Gebiet erstreckt sich auf etwa 370 Hektar und über 7,5 Kilometer Länge von Altbiesdorf bis nach Ahrensfelde. Drei „wildbegrünte Bauschuttkippen“ und drei „flächenhafte Naturdenkmale“, die hier bereits existieren, will der Magistrat in den Buga-Park miteinbeziehen.
Von wem die Idee für die Buga-Verpflanzung ursprünglich stammte, das kann Thurmann nicht mehr genau sagen. Er könne zwar „nicht bestätigen“, daß Bausenator Nagel als erster den Gedanken aufbrachte, will dies aber auch „nicht ausschließen“.
hmt
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