: Drunter und drüber
■ N3-Talkshow Berlin Mitte: D-Mark gut, alles gut? Freitag, 22Uhr
Was hätte da wieder spekuliert werden können! Die ersten paar Minuten der Talkshow blieb der Stuhl für Herta Däubler -Gmelin tatsächlich leer. Doch dann, Gregor Gysi war schon vorgestellt, kam die SPD-Frau doch noch; die Moderation murmelte etwas von verspätetem Flugzeug. Und als ob die Bonner Baracke statt Rückzug den Angriff angeordnet hätte, ging sie sofort auf Gysi los, nervöser und noch mehr dazwischenredend als sonst. Punkte gegen ihn machte sie allerdings nicht, denn diesen Streit ließen die Moderatoren Horst Schättle und Rüdiger Hoffmann nicht zu.
Um die ersten fünf Tage nach der Währungsunion sollte es schließlich gehen, nicht um Hegemonieansprüche in Puncto Sozialismus. Und ebenso drunter und drüber wie derzeit in der DDR ging es dann auch auf dem Bildschirm zu. Gysi sagte immer „zum Beispiel“, hat offenbar von den wirtschaftlichen Problemen überhaupt keine Ahnung und forderte bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Handwerker. Einen anderen TV-fähigen Menschen hat die PDS wohl nicht mehr?
Auch Karl Schiller, der alte Super-Wirtschafts- und Finanzminister unter Willy Brandt, war verwirrt. Den derzeit überhöhten Preisen in der DDR gab er - vermutlich zurecht nur ein paar Wochen. Aber damit, daß der Ex-Grüne Thomas Ebermann das durch die Marktwirtschaft beschleunigte Arbeitstempo in der DDR bedauerte, konnte der Professor überhaupt nichts anfangen und warf Ebermann vor: „Sie haben nie verstanden, was wirtschaftliche Dynamik ist.“ Da zuckte der linksradikale Ebermann nur mit den Achseln. Er präsentierte sich als der Abgebrühteste von allen: Das Attribut „brutal“ könne man sich für die Marktwirtschaft sparen, so sei sie nun einmal. Der würde noch die Empörung über die Verhungernden in der „Dritten Welt“ mit einem lakonischen „Tja, das ist eben der Kapitalismus!“ quittieren.
Den Mann, der für die derzeitige Lage in Ost-Berlin politisch verantwortlich ist, wenn er dort auch permanent fehlt, verschonte das Moderatorenpaar: Elmar Pieroth, dessen Horizont nicht über die vier Wände der Gewerberäume hinausreicht, die er unentwegt einfordert. Mit wichtigem Gesicht, wie eine Mischung aus Ernst-Dieter Lueg und Heribert Faßbinder, fragte Schättle hingegen Schiller, was denn jetzt zu tun sei, damit „der deutsche Unternehmer“ seine Aufgabe in der DDR erkenne und nicht nur in seine Bilanzen schaue. Subventionen? Schutzzölle? Schiller, welch Wunder, plädierte natürlich für schnelle, harte Anpassungen; Gysi setzte Übergangsregelungen dagegen, Ebermann schmunzelte nur.
Zur meistgebrauchten Floskel des Abends geriet die Frage ist, die Antworten wurden gleich mitgeliefert. Auf die banale Frage des Talkshow-Themas, „D-Mark gut, alles gut?“, fand der Ex-Minister die angemessene Antwort: „Das menschliche Tun ist immer unvollkommen.“
Dietmar Bartz
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